Regierung in Italien Adeliger Diplomat

Rom · Italiens neuer Ministerpräsident Paolo Gentiloni muss beweisen, dass Zurückhaltung kein Nachteil ist. Zuvor amtierte er als Außenminister und machte sich als Vermittler einen Namen.

 Italiens neuer Ministerpräsident: Paolo Gentiloni.

Italiens neuer Ministerpräsident: Paolo Gentiloni.

Foto: AFP

Politiker sind nicht die Spezies, die das italienische Volk in Jubelstürme ausbrechen lässt. Auch Ministerpräsident Paolo Gentiloni löst bei seinen Landsleuten keine ekstatischen Reaktionen aus. Aber er kann immerhin für sich beanspruchen, nicht zur Kategorie der unbeliebtesten Gestalten im römischen Politikbetrieb zu zählen. Das hängt einerseits damit zusammen, dass viele Italiener Gentiloni gar nicht kannten. Und zweitens damit, dass der 62-Jährige, der seit 2014 als Außenminister amtierte, für seine besonnene Art bekannt ist. Nur eine gute Woche nach dem Rücktritt von Premier Matteo Renzi sind Gentiloni und seine Regierung im Amt.

Einen „wunderbaren Kollegen“ hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier seinen Amtskollegen genannt. Das sind Worte, die weit über das normale Maß an Freundlichkeit hinausgehen und wohl damit zu tun haben, dass Gentiloni sich nicht nur auf dem internationalen Parkett zu bewegen weiß. Der Politiker spricht Englisch, Französisch und nach einem Kurs beim Goethe-Institut offenbar auch passabel Deutsch. „Er hat die Diplomatie im Blut“, schrieb der Corriere della Sera. Dem Ministerpräsidenten wird eine Akribie und Bedächtigkeit nachgesagt, die man zuletzt nicht mehr kannte aus Italien. Vorgänger Renzi wurde in Brüssel und Berlin einerseits für seinen Elan geschätzt, er war aber auch als große Nervensäge verschrien. Beides kann man vom verbindlichen Gentiloni nicht behaupten. Der Römer entstammt einem alten, katholischen Adelsgeschlecht, das immer noch einen ganzen Palazzo in der Nähe des Viminalhügels in Rom besitzt. Auch Gentiloni wohnt hier mit seiner Frau und liebt es, zu Fuß durch die Stadt zu flanieren. Ein Großonkel vermittelte 1913 den sogenannten Gentilonipakt zwischen Vatikan und Regierung. Anschließend durften auch die italienischen Katholiken an demokratischen Wahlen teilnehmen, Papst Pius IX. hatte ihnen dies verboten. Dass auch der künftige Ministerpräsident einen guten Draht zur Kirche hat, ist bekannt. Gentiloni ist ein gemäßigter Katholik, der vor allem als Referent der Stadt Rom für das Heilige Jahr 2000 Bande in den Vatikan knüpfte.

Als Student schloss sich der Adelige der außerparlamentarischen Linken an und engagierte sich später in der italienischen Umweltbewegung. Dort fand er im späteren römischen Bürgermeister Francesco Rutelli seinen politischen Mentor. Gentiloni war Rutellis Pressesprecher und gründete mit ihm zusammen 2002 die Partei La Margherita, die bei oberflächlicher Betrachtung wie ein Pendant der Grünen wirkte, sich aber bald als christdemokratische Strömung im linken Spektrum entpuppte. Auch Gentilonis Vorgänger Renzi war einst in der La Margherita aktiv, bevor der Partito Democratico (PD) im Jahr 2007 die verschiedenen Strömungen in sich aufnahm. Der Ministerpräsident war einer der ersten römischen Unterstützer des kompromisslosen Renzi. Auch deshalb hievte ihn der Ex-Premier, der Parteichef der PD bleibt, jetzt ins Amt. Wie lange Gentiloni Premier bleiben wird, hängt auch von den Launen Renzis ab.

Unter Premier Romano Prodi besetzte Gentiloni zwei Jahre lang den Posten des Ministers für Information und Telekommunikation. Aus seinen Versuchen, die Medienvorherrschaft Silvio Berlusconis einzugrenzen, wurde nichts. Prodis Regierung stürzte 2008. Renzi berief Gentiloni schließlich 2014 als Außenminister. Als solcher machte er sich einen Namen als Vermittler, der sowohl zu den USA als auch zu Russland einen guten Draht hatte.

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