Im Porträt Chefdiplomat mit Geschick und Härte

Berlin · Seit mehr als 40 Jahren bewegt sich Sergej Lawrow auf diplomatischem Parkett, hat sich dabei Respekt verschafft, aber auch Feinde gemacht.

 Geschickt und redegewandt: Moskaus Chefdiplomat Sergej Lawrow.

Geschickt und redegewandt: Moskaus Chefdiplomat Sergej Lawrow.

Foto: dpa

Seit 2004 ist er russischer Außenminister, und ganz besonders in dieser Funktion hat er sich immer wieder vehement eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes verbeten. Doch von dieser Linie ist er nun selbst abgewichen. Nach der angeblichen Vergewaltigung einer russlanddeutschen 13-Jährigen in Berlin warf Lawrow den deutschen Behörden Versäumnisse vor.

Lawrow wurde am 21. März 1950 in Moskau geboren. Sein Vater stammte aus Armenien, seine Mutter arbeitete im Außenhandelsministerium. Er studierte am Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, der Kaderschmiede für Sowjetdiplomaten, und trat mit 22 Jahren seinen ersten Posten an der Botschaft in Sri Lanka an. Es folgten verschiedene Posten im Außenministerium und in der Delegation seines Landes bei den Vereinten Nationen in New York. Während des diplomatischen Tauziehens vor dem zweiten Irakkrieg spielte Lawrow eine wichtige Rolle. Seine Einschätzungen sollen dazu beigetragen haben, dass sich Präsident Wladimir Putin trotz Drucks der USA gegen eine UN-Resolution zur Legitimierung des Krieges stellte, der im Jahr 2003 begann.

Am 10. März 2004 wurde Lawrow Außenminister – und behielt dieses Amt über mehrere Regierungsumbildungen hinweg. Geschickt und redegewandt, aber auch mit Härte und Präzision vertrat der Chefdiplomat die russischen Positionen. Die „taz“ analysierte bei seinem Amtsantritt, dass Lawrow in Habitus und Auftreten jenen Typ „Westler“ verkörpere, „den Russland braucht, wenn es nicht wieder ins Abseits geraten will“.

Eine wichtige internationale Rolle spielte Russland unter Lawrows Führung bei den erfolgreichen Verhandlungen zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms. Vertreter Russlands saßen mit den übrigen vier UN-Vetomächten und Deutschland sowie dem Iran an einem Tisch und fanden nach langem und zähem Ringen eine gemeinsame Lösung – einer der größten Erfolge der internationalen Diplomatie der vergangenen Jahre.

Keinesfalls jedoch ist Lawrow ein Freund des Westens. Es geht ihm darum, dass Russland als gleichwertig mit den USA angesehen wird. Beobachter werfen ihm zudem vor, dass Menschenrechte und Freiheitsansprüche keineswegs universelle Werte für ihn darstellten. Und trotz seines unbestrittenen diplomatischen Geschicks hat es auch Lawrow nicht verhindern können, dass Russland in den vergangenen Jahren zunehmend international isoliert wurde. Grund war vor allem der Ukraine-Konflikt, aber auch die Unterstützung von Präsident Baschar al-Assad im blutigen syrischen Bürgerkrieg.

Lawrow ist zu gewieft, als dass hinter seiner jetzigen Kritik an Deutschland wegen der angeblichen Vergewaltigung des russlanddeutschen Mädchens keine gezielte politische Absicht stehen würde. Russlands Wirtschaft ist am Boden, der Ölpreis im Keller. Vor allem aber haben die westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise das Land hart getroffen.

Die Stimmung zwischen Moskau und Berlin ist deswegen angespannt. Angela Merkel gilt als eine der führenden Verfechterinnen der Strafmaßnahmen, die Russland gerne loswerden würde. Da passt es zum Beispiel gut, die Position der deutschen Kanzlerin, die wegen der Flüchtlingsfrage ohnehin massiv unter Druck steht, weiter zu schwächen.

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