Kommentar zum Irankonflikt Die Zeichen stehen auf Krieg

Meinung | Istanbul · Der bei einem US-Raketenangriff getötete iranische Generalmajor Kassem Soleimani hatte viel Blut an den Händen. Aber seine Ermordung durch die USA dürfte noch mehr Leid über die Region bringen, meint unser Autor.

 Die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani sorgt auf iranischer Seite für große Empörung und könnte einen weiteren Krieg auslösen.

Die gezielte Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani sorgt auf iranischer Seite für große Empörung und könnte einen weiteren Krieg auslösen.

Foto: AP/Vahid Salemi

Der Nahe Osten steht vor einem neuen Krieg, die Welt möglicherweise vor einer neuen Terrorwelle. Der iranische Generalmajor Kassem Soleimani hatte viel Blut an den Händen, aber seine Ermordung durch die USA dürfte noch mehr Leid über die Region bringen. Immer stärker zeigt sich, dass die Trump-Regierung den Iran nicht disziplinieren, sondern das Regime in Teheran enthaupten und letztendlich stürzen will. Der Mordanschlag bedeutet das Aus für alle Bemühungen, mit dem Iran auf dem Verhandlungsweg ins Geschäft zu kommen. Das internationale Atomabkommen mit Teheran ist wohl nicht mehr zu retten.

Der Anschlag auf Soleimani ist eine Zeitenwende, weil er eine Kriegserklärung an den Iran bedeutet. Die USA hätten den Kommandeur bereits in den vergangenen Jahren töten können, verzichteten aber darauf, weil sie die politischen und militärischen Folgekosten für zu hoch hielten. Dass Trump und seine chaotische Regierung jetzt aufgrund profunder Analysen zu einem anderen Ergebnis kamen, ist kaum anzunehmen. Wahrscheinlicher ist, dass der amerikanische Präsident den Einsatzbefehl aus dem Bauch heraus gab, weil er nach den demütigenden Angriffen auf die amerikanische Botschaft in Bagdad, bei denen Soleimani die Fäden zog, Stärke demonstrieren wollte.

Darüber, ob Mordanschläge auf Gegner wie Soleimani für eine Demokratie wie die USA ein angemessenes Mittel der Politik sind, kann man streiten. Völlig verlogen sind aber amerikanische Kommentare, die den iranischen General jetzt als Monster zeichnen, der seine gerechte Strafe erhalten habe. Soleimani war ohne Zweifel ein Gewalttäter, der auch im Irak viel Unheil angerichtet hat. Aber die Regierung eines Landes, das mit seiner Invasion im Irak den Tod von hunderttausenden unschuldigen Menschen verschuldete, sollte sich mit moralischen Urteilen lieber zurückhalten.

Trumps Befehl an die amerikanischen Drohnenpiloten hat nichts mit Moral, dafür viel mit strategischer Konzeptlosigkeit im Umgang mit dem Iran zu tun. Auf die iranische Aggressivität im Nahen Osten lediglich mit Sanktionen und Mordanschlägen auf hochrangige Regimevertreter zu reagieren, führt zu immer neuen Eskalationen.

Sollte Trump – vielleicht mit Blick auf seine Chancen für eine Wiederwahl im November – einen Regimewechsel in Teheran anstreben, wird er wesentlich mehr Truppen aufbieten müssen als bisher. Und er wird einen Krieg beginnen, der den langwierigen, teuren und verlustreichen Konflikt in Afghanistan in den Schatten stellen wird. Iran ist ein hochgerüstetes und stolzes Land mit mehr als 80 Millionen Menschen, in dem die USA wegen früherer Einmischungen nicht viele Freunde haben. Außerdem haben die amerikanischen Wähler genug von blutigen Abenteuern in Übersee.

Doch wenn ein Regimewechsel zu kostspielig ist – was wollen die USA dann? Sie haben potenziellen Verhandlungspartnern in Teheran mit ihrer Politik gezeigt, dass der Iran selbst bei Einhaltung des Atomvertrags vom Westen nichts Gutes zu erwarten hat. Gleichzeitig hat Washington die Hardliner in Teheran gestärkt. Trump hat nichts zu bieten außer wirtschaftlichem und militärischem Druck. Selbst wenn die USA jetzt plötzlich den Wert der Diplomatie entdecken sollten, würde das wahrscheinlich nichts mehr nützen.

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