Trump Einreisestopp für Flüchtlinge

Washington · Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Flüchtlingen vorwiegend muslimischen Glaubens die Einreise nach Amerika bis mindestens Juni dieses Jahres generell zu untersagen, hat einen Proteststurm ausgelöst.

 Donald Trump im Oval Office im Weißen Haus in Washington. Der Kurs des neuen US-Präsidenten löst in vielen Ländern Sorge aus.

Donald Trump im Oval Office im Weißen Haus in Washington. Der Kurs des neuen US-Präsidenten löst in vielen Ländern Sorge aus.

Foto: Ron Sachs

Kirchenvertreter und Menschenrechtsgruppen warfen Trump am Samstag Rassismus vor und kündigten Gerichtsklagen an. Der demokratische Spitzenvertreter im Senat, Chuck Schumer beklagte, dass Trump das Wesensprinzip des Einwanderungslandes Amerika verletzt habe. „Tränen rollen heute an der Wange der Freiheitsstatue herunter.“ Sein Kollege Edward Markey sprach von "extremer Fremdenfeindlichkeit".

Anti-Terror-Experten erkennen in dem teilweisen Bann, den Trump ohne ein Wort der Erinnerung an das Schicksal der Juden am Internationalen Holocaust-Gedenktag per Dekret in Kraft gesetzt hat, sogar eine Gefährdung der nationalen Sicherheit.

Wer schutzbedürftige Flüchtlinge abweist, nähre die „Erzählung“ von Terror-Netzwerken wie dem Islamischen Staat (IS), wonach sich die USA im Krieg mit der muslimischen Welt befänden, erklärte der ehemalige Leiter des Terrorabwehrzentrums, Matthew Olsen, in Washington.

Trump argumentiert 180 Grad in die Gegenrichtung. Um zu verhindern, dass „radikale islamische Terroristen“, getarnt als Bürgerkriegsflüchtlinge ins Land kommen, müsse das bisherige Überprüfungssystem („vetting“) extrem verschärft werden. „Wir wollen nur noch Leute reinlassen, die unser Land unterstützen und unsere Menschen ehrlich lieben“, sagte Trump.

Die Aufgabe übertrug der Präsident dem neuen Heimatschutzminister John Kelly und Geheimdienstdirektor Dan Coats. In 120 Tagen sollen sie ihr Konzept vorlegen, inklusive einer öffentlich einsehbaren Datenbank mit den Namen potenzieller Gefährder.

Bis dahin nehmen die USA keinen einzigen Flüchtling auf. Für Menschen aus Syrien wird der Stopp sogar unbefristet gelten. Ausgenommen von dem Bann sind Christen, die in muslimischen Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Darin erkennen Juristen einen Verstoß gegen die Verfassung. Dort ist die einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung von Religionsgemeinschaften untersagt.

Ab Sommer soll das Flüchtlings-Kontingent, zu dem sich die USA unter der Vorgänger-Regierung Obama bis September 2017 verpflichtet haben, von 110 000 auf 50 000 reduziert werden. Zum Vergleich: Im abgelaufenen Haushaltsjahr nahm Amerika 85 000 Flüchtlinge auf, darunter rund 12 500 aus Syrien.

Der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, unterstützt die Entscheidung des Weißen Hauses: „Präsident Trump hat recht, wenn er sicherstellt, dass wir alles tun, damit wir genau wissen, wer ins Land kommt.“ Ryan Parteikollegen Bob Goodlatte, Chef des Rechtsausschusses im Parlament, wurde konkreter. Danach habe der Islamische Staat damit gedroht, dezidiert das US-Einwanderungssystem zu nutzen, um potenzielle Attentäter ins Land zu schmuggeln. Ein verschärftes Screening sei daher unverzichtbar.

„Cair“, der Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen, sieht dagegen den Tatbestand der einseitigen Missachtung einer Minderheit gegeben und kündigte Klage vor einem Bundesgericht an. „Es gibt keine Belege dafür, dass Flüchtlinge eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen“, sagte Cair-Anwältin Lena Masre.

Wie sie, so teilen auch andere Experten die Grundeinschätzung, dass Flüchtlinge zu den „am striktesten überprüften Menschen gehören, die in unser Land kommen“. Im Fall von Syrern dauern die Untersuchungen mehrerer US-Sicherheitsorgane im Einzelfall bis zu 24 Monate.

Im kalifornischen San Bernardino hatte im Dezember 2015 ein von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat inspiriertes Ehepaar mit muslimischen Wurzeln 14 Menschen getötet. Im Juni 2016 erschoss der Muslim Omar Mateen in einem Nachtklub in Orlando 49 Menschen. Auf beide Taten bezog sich Trump im Wahlkampf ausdrücklich, obwohl die Täter keine Flüchtlinge waren sondern amerikanische Staatsbürger.

Bei der Auswahl der Staaten, in denen Terror-Gefahren für die USA vermutet werden, geht der Trump auf Drängen seiner Berater selektiv vor. So bleibt Staatsbürgern aus Syrien, Libyen, Somalia, Jemen, Sudan, Irak und Iran bis auf weiteres versagt, mit einem Visum in die Vereinigten Staaten zu kommen. In fünf dieser Länder sind die USA in militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Länder mit einem ebenfalls starken muslimischen Bevölkerunganteil wie Pakistan, Indonesien, Afghanistan oder die Herkunftsstaaten der Attentäter der Anschläge von „9/11“ - Saudi-Arabien, Libanon, Ägypten und Vereinigte Arabische Emirate - sind von der Regelung ausgenommen. Eine Begründung dafür nannte Trump, der im Wahllkampf noch ein generelles Einreiseverbot für alle Muslime gefordert hatte, nicht. Beobachter in Washington gehen von wirtschaftlichen Interessen aus. „In Riad oder Kairo wäre die Hölle los, wenn Washington auch für die Menschen dort die Tore hochklappen würde.“

Die Vereinten Nationen, dort gesondert das Flüchtlingswerks UNHCR, forderten Trump gestern auf, die Entscheidung zu überdenken. Amerika als sicherer Hafen für Flüchtlinge weltweit sei unersetzbar. Seit 1980 haben die Vereingten Staaten nach Zahlen des Forschungsinstituts Pew über 2,5 Millionen Menschen aufgenommen.

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