Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Zum Abschied lässt Schneider aufhorchen

DRESDEN · "Es war auch eine protestantische Revolution", stellt der sächsische Landesbischof Jochen Bohl (64) in einer Predigt zum Auftakt der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fest. Die 126 Frauen und Männer des Kirchenparlaments und die 30 der Kirchenkonferenz versammelten sich in der Kreuzkirche, die vor allem durch ihren Kinder- und Jugendchor weltberühmt ist, die aber auch 1989 Mittelpunkt der friedlichen Kerzenrevolution war.

 Nikolaus Schneider tritt ab, um sich um seine krebskranke Frau zu kümmern.

Nikolaus Schneider tritt ab, um sich um seine krebskranke Frau zu kümmern.

Foto: dpa

Zur gleichen Zeit weilte Bischof Markus Dröge (60), der für den durch Verzicht des Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider (67) frei werdenden Platz im 15-köpfigen Rat kandidiert, noch in Berlin. Dort hatte er in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Predigt im Ökumenischen Gottesdienst in der Versöhnungskapelle zu halten.

Im Gottesdienst der Kreuzkirche wurde die Bundesregierung durch Innenminister Thomas de Maizière und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (der selbst der Synode angehört) vertreten. Doch im Mittelpunkt des ersten Tages der Synode, die am Mittwochabend mit der Einführung des neuen Ratsvorsitzenden in der Frauenkirche endet, stand der Abschied von Nikolaus Schneider, der wegen der schweren Krebserkrankung seiner Frau Anne das höchste Amt der Evangelischen Kirche ein Jahr vor Ende seiner Wahlzeit aufgegeben hat. Große Freude herrschte, dass Frau Anne trotz ihrer Krankheit mit nach Dresden gekommen war.

Schneiders Nachfolger im Amt des rheinischen Präses, Manfred Rekowski, würdigte in Dresden die Verdienste des bisherigen Ratsvorsitzenden, der sich nach diesem Amt "nicht gedrängt" habe: "Mit seiner Gabe, Menschen und Positionen zueinander zu bringen, hat er der EKD in schwierigen Zeiten einen großen Dienst erwiesen. Und auch in diesem hohen Amt war sein Ziel, mehr Pastor als Funktionär zu sein."

Der scheidende Ratsvorsitzende, der wegen seiner Herkunft als Stahlarbeitersohn und seines sozialen Engagements als Pastor in Duisburg auch gern "evangelischer Sozialbischof" genannt wurde, verzichtete in seinem vierten und letzten Rechenschaftsbericht weithin auf konkrete soziale Forderungen, sieht man von seinem Plädoyer für Flüchtlinge ab: "Die Zustände in vielen Aufnahmeeinrichtungen sind Anlass zur Scham. Die Angst, dass ein ungebremster Zuzug von Flüchtlingen den eigenen Wohlstand gefährdet, bricht sich in Ablehnung, Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten Bahn. Das Thema ist gut geeignet, dumpfe Gefühle und unsere destruktiven Potenziale zu mobilisieren." Bundesinnenminister de Maizière bekannte sich in seinem Grußwort zu dem Asylkompromiss, dem auch der Bundesrat zugestimmt hat.

Aufhorchen ließ Schneider beim Thema Frieden. Er verteidigte angesichts der grausamen Morde und Kämpfe des "Islamischen Staates" die Bundesregierung für die Lieferung von Waffen an die kurdischen Peschmerga. Dabei berief er sich auch auf Dietrich Bonhoeffer, der es angesichts der Nazi-Verbrechen nicht für ausreichend hielt, die unter die Räder Gekommenen zu verbinden, sondern man müsse auch in die Speichen greifen.

Leidenschaftlich verurteilte er den als Folge des Gaza-Krieges wieder aufgeflammten Antisemitismus. "Mit tiefer Dankbarkeit" erfülle ihn, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder möglich geworden sei. Zugleich brauche man in Deutschland "einen Islam als Partner, mit dem wir zusammen islamistischen Milieus begegnen und islamistischen Terror wirksam bekämpfen."

Mit Nachdruck lehnte Schneider jede Form eines assistierten Suizids für schwerstkranke Menschen ab. Im Blick auf Politik und Krankenkassen sagte er, die letzten Lebensjahre seien teuer, "aber menschenwürdiger Umgang mit Sterbenden darf nicht am Geld scheitern". Er regte einen Rechtsanspruch auf flächendeckenden Ausbau von Hospizen an. Zugleich forderte er Respekt gegenüber denen in der evangelischen Kirche, die für sich einen assistierten Suizid in auswegloser Situation nicht ablehnen.

In einem Grußwort dankte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, dem scheidenden Ratsvorsitzenden: "Ich danke Ihnen für Ihren Dienst für Ihre Kirche und zugleich für Ihren Dienst in Politik und Gesellschaft. Wann immer ich Sie traf, habe ich mich darauf gefreut." Zugleich regte er ein Aktionsbündnis der beiden Volkskirchen mit der Hospizbewegung für mehr Hilfe zugunsten Schwerstkranker und gegen jede Form aktiver Sterbehilfe an: "Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe für alle Christen."

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