Barack Obama Die schwierigste Herausforderung seiner Amtszeit

WASHINGTON · Eigentlich wollte Barack Obama am Montag "nur" Benjamin Netanjahu zur Vernunft bringen. Der israelische Premier war in Washington zu Gast, um die wieder einmal festgefahrenen Gespräche mit den Palästinensern zu erörtern. Gemessen an dem Szenario, das sich seit dem Wochenende vor dem amerikanischen Präsident auftürmt, ist das ewige Patt in Nahost zum Nebenaspekt geronnen.

 Krisengespräch: Barack Obama mit Benjamin Netanjahu.

Krisengespräch: Barack Obama mit Benjamin Netanjahu.

Foto: dpa

Die Krise um die Krim, das Wiederauftauen des Kalten Krieges mit Russland in Turbo-Geschwindigkeit, stellt Obama fünf Jahre nach Einzug ins Weiße Haus vor die "wichtigste und schwierigste außenpolitische Herausforderung seiner Amtszeit", sagt Nicholas Burns. Wichtiger als Libyen, Iran, Ägypten, Syrien und Israel.

Wie der einst unter George W. Bush tätige Karriere-Diplomat, so haben auch andere Stimmen in Washington Zweifel, ob der ehemalige Stadtteilarbeiter aus Chicago das Format besitzt, um den früheren KGB-Offizier Wladimir Putin in die Schranken zu weisen, ohne dass die Ost-West-Konfrontation in der Ukraine ausartet.

Wie erwartet, stellten sich führende Republikaner, die Obama per se für zu weich und zauderhaft halten, an die Spitze der Bewegung. Obama habe sich über die Agenda und Antriebskräfte des zarenähnlich im Kreml herrschenden Präsidenten kolossal getäuscht, ließen die Abgeordneten Rubio, McCain, Rogers und Graham in unterschiedlich scharfen Akzentuierungen wissen.

Obamas Ankündigung von 2010, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu entkrampfen ("Reset-Button"), wirke angesichts der offenkundig allein auf Wiederherstellung von Prestige und Macht abzielenden Geopolitik Putins sträflich naiv. Ohne ins Detail zu gehen, äußert die Opposition die Sorge, dass Obamas lange geübte militärische Zurückhaltung Putin nur darin bestärkt hat, "Warnungen aus Washington einfach zu ignorieren".

Dass Obama seinem Widersacher trotzdem einen gesichtswahrenden Ausweg aus der inzwischen (mit Ausnahme von China) weltweit verurteilten Misere in der Ukraine ebnen will, behagt den Falken in der US-Hauptstadt nicht. Danach sollen unabhängige Experten der OSZE auf der Krim überprüfen, ob (wie Putin ohne Beweis behauptet) russische Interessen auf der Halbinsel tatsächlich gefährdet sind.

Republikaner reden längst größeren Kalibern das Wort. Da ist die Rede von harten Sanktionen gegen russische Banken, Boykotten von geplanten Handelserleichterungen, Einreiseverboten und der Beschlagnahmung von Konten russischer Funktionäre. Kurzum: Über die eng mit dem Westen verflochtene Wirtschaft soll Moskau in die Knie und zum Rückzug von der Krim gezwungen werden.

Dass ein möglicher Handelskrieg nicht nur für die auf russische Gaslieferungen angewiesenen Europäer hohe politische Folgekosten nach sich ziehen könnte, wird einstweilen ausgeblendet. Andere Vorschläge reichen vom sofortigen Ausschluss Russlands aus der Gruppe der acht größten Industrienationen (G8) über eine Wiederaufnahme des Raketenschild-Programms in Europa, die Nato-Mitgliedschaft für Georgien, einen für Russland demaskierenden UN-Sicherheitsratsbeschluss bis hin zu der Forderung, die westliche Verteidigungs-Allianz zur Abschreckung an der polnisch-ukrainischen Grenze aufmarschieren zu lassen. Auffällig: Selbst die erbittertsten Obama-Gegner bleiben bei ihren Denkzettel-Ideen immer unterhalb der Schwelle einer militärischen Intervention.

Am Dienstag wird US-Außenminister John Kerry nach Kiew reisen, um die Lage vor Ort zu sondieren. Obama will mehr Gewissheit über das, was ist. Und werden kann. Eine Bemerkung von Angela Merkel soll ihm laut "New York Times" zu denken gegeben haben. Danach hat die Kanzlerin nach ihrem Gespräch mit Putin am Sonntag Zweifel geäußert, ob der russische Präsident noch im Einklang mit der Realität steht oder "in einer anderen Welt" lebt.

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