Staatsanwaltschaft will Strafprozess nach Loveparade-Katastrophe

Duisburg · Dreieinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten und Hunderten Verletzten hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.

Die Behörde will eine von ihr zunächst nicht genannte Zahl mutmaßlicher Verantwortlicher zur Rechenschaft für das Unglück vom 24. Juli 2010 in Duisburg ziehen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Vertreter der Loveparade-Opfer reagierten mit gemischten Gefühlen: Die einen hoffen auf den Beginn eines Prozesses - andere befürchten, dass Hauptverantwortliche ungestraft davonkommen.

Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft den Kreis der Beschuldigten von einst 16 auf jetzt 10 Personen verkleinert. Die Anklagebehörde wollte sich dazu noch nicht äußern. Wer angeklagt ist und wie der Tatvorwurf lautet, soll an diesem Mittwoch bekanntgegeben werden. Die Staatsanwaltschaft rechnet bei der geplanten Pressekonferenz mit so viel Andrang, dass sie in eine Mehrzweckhalle geladen hat.

"Wenn es so ausgeht, dass von den Verantwortlichen nur Sachbearbeiter übrig bleiben, wird das bei den Betroffenen und Hinterbliebenen für Aufregung sorgen", sagte Jürgen Widera, Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Opfer der Loveparade. Das wäre seiner Ansicht nach nicht mit dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen vereinbar. Ob das Ende der Ermittlungen bei der Aufarbeitung der Katastrophe helfe, hänge daher davon ab, wen die Staatsanwaltschaft an diesem Mittwoch als Angeklagte nennt.

Am 24. Juli 2010 war bei der Loveparade in Duisburg eine Massenpanik ausgebrochen. Im Zugangsbereich des Veranstaltungsgeländes der Technoparade wurden 21 junge Menschen erdrückt oder zu Tode getreten. Hunderte wurden verletzt. Es hatte nur einen einzigen Ein- und Ausgang gegeben. Der britische Massendynamik-Experte Keith Still kam später zu dem Ergebnis, mit dem von der Stadt genehmigten Konzept sei es nicht einmal theoretisch möglich gewesen, die Loveparade gefahrlos zu veranstalten.

Anwalt Julius Reiter sagte mit Blick auf die Anklage-Erhebung, er spüre "Erleichterung, dass die Hängepartie beendet ist". Reiter vertritt nach eigenen Angaben 100 Loveparade-Geschädigte. Manfred Reißaus, der bei dem Unglück seine Tochter verloren hat, betonte: "Wir brauchen endlich diesen Prozess, um am normalen Leben wieder teilzunehmen."

In dem jetzt abgeschlossenen Verfahren war einst gegen 16 Beschuldigte ermittelt worden, darunter Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent. Wie "Spiegel Online" und die "Rheinische Post" am Dienstag meldeten, sollen die Ermittlungen gegen den Polizei-Einsatzleiter und einen leitenden Mitarbeiter der Stadt Duisburg eingestellt worden sein. Auch dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern.

Rainer Schaller, Inhaber der Fitness-Kette McFit und Geschäftsführer von Lopavent, hatte ebenso wie Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nicht zu den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren gezählt. Das Stadtoberhaupt musste jedoch rund eineinhalb Jahre nach der Tragödie den Hut nehmen - eine Bürgerinitiative setzte seine Abwahl durch. Er hatte lange Zeit jegliche Verantwortung von sich gewiesen.

Ein Sprecher des Landgerichts Duisburg bestätigte am Dienstag den Eingang der Anklageschrift. Das Gericht muss nun prüfen, ob und wann es das Hauptverfahren eröffnet. Anwalt Reiter hofft, dass dies zügig geschieht. "Ich setze auch darauf, dass das Gericht den Nebenklägern, die ja die Leidtragenden der Katastrophe sind, im Verfahren den nötigen Raum einräumt."

Er sehe jedoch die Gefahr, dass die vollständige Aufarbeitung behindert werde, sollte nicht nur Schaller, sondern auch die Polizei auf der Anklagebank fehlen. "Hinterbliebene und Betroffene wollen wissen, wer Schuld trägt. Dabei geht es nicht nur um die Verantwortlichkeit von einzelnen, sondern auch um die von Institutionen", sagte Reiter. Jörn Teich, Vorsitzender der Betroffenen-Initiative Lopa 2010, sagte: "Wir wollen nicht die kleinen Leute, sondern die, die wirklich Mist gebaut haben."

Die nordrhein-westfälische Landesregierung wollte zunächst nichts zu der Anklage-Erhebung sagen. Der für die Polizei zuständige Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte sich nach der Loveparade-Katastrophe schützend vor seine Beamten gestellt.

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