Interview mit Wirtschaftsminister Altmaier verspricht Entlastung für 2020

Berlin · Von seinem Sturz beim Digitalgipfel in Dortmund hat sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erholt. Jetzt spricht er über den Zustand der Groko, den Soli-Abbau und die Grundrente.

 Minister Peter Altmaier will Beschäftigte, die auf dem Land leben, finanziell unterstützen.

Minister Peter Altmaier will Beschäftigte, die auf dem Land leben, finanziell unterstützen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Arbeit der Groko ist besser als ihr Ruf, findet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, gesteht aber ein, man müsse die Arbeit besser erklären. Über die Koalition, eine Grundrente und den Klimaschutz sprach mit dem Minister Birgit Marschall.

Herr Altmaier, wie geht es Ihnen nach Ihrem Sturz auf dem Digitalgipfel vor zehn Tagen?

Peter Altmaier: Es geht mir schon wieder deutlich besser. Ich hatte großes Glück im Unglück, dass alles so glimpflich abgelaufen ist. Die Ärzte und Pfleger waren großartig.

Die Groko hat diese Woche Halbzeitbilanz gezogen. Wie sieht sie aus Sicht des Wirtschaftsministers aus?

Altmaier: Die Arbeit der Groko ist besser als ihr Ruf. Trotzdem ist es uns bislang nicht ausreichend gelungen, die Handschrift und die politische Linie der großen Koalition nach außen sichtbar zu machen. Das hängt auch damit zusammen, dass unser Koalitionspartner SPD zu stark mit internen Problemen und Personaldebatten beschäftigt war. Das muss aufhören. Die Menschen in diesem Land erwarten, dass wir schlicht unsere Arbeit machen. Wir müssen unsere Arbeit auch besser erklären. Denn es ist uns immerhin die größte Entlastung der Familien seit der deutschen Einheit gelungen. In der Klima- und Energiepolitik vollziehen wir einen verantwortlichen und deutlichen Kurswechsel, der jetzt Schritt für Schritt umgesetzt wird. Wir werden Glaubwürdigkeit nur zurückgewinnen, wenn tatsächlich als Folge unserer Politik die CO2-Emissionen nachhaltig sinken. Dennoch reicht bloßes Erklären nicht aus. Wir brauchen eine umfassende Politikreform, damit das Vertrauen der Bürger in Parlament und Regierung wieder zunimmt.

Es gibt viel Kritik am Klimapaket. Unter anderem heißt es, der CO2-Einstiegspreis sei mit zehn Euro pro Tonne viel zu niedrig, um Wirkungen zu erzeugen. Wären Sie bereit, mit den Grünen im Bundesrat über einen höheren Einstiegspreis zu verhandeln?

Altmaier: Ich bin weiterhin der Auffassung, dass ein nationaler Klimakonsens notwendig ist, weil es sich um eine Aufgabe handelt, die in ihrer Dimension ähnlich groß ist wie die Wiedervereinigung. Aber die Grünen dürfen den Bogen auch nicht überspannen. Klimaschutz in Deutschland gelingt nur, wenn wir insbesondere einkommensschwachen Bürgern, mittelständischen Unternehmen, jungen Familien und Rentnern keine unzumutbaren Belastungen auferlegen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dass die Belastungen langsam, aber verlässlich ansteigen.

Die Belastungen steigen ab 2021 nur langsam an, während aber gleichzeitig die Entlastungen etwa durch die Erhöhung der Pendlerpauschale sofort voll spürbar werden. Sie sehen da keine Schieflage bei Be- und Entlastungen?

Altmaier: Einspruch. Die Pendlerpauschale wird ab 2021 erhöht. Es gibt also einen zeitlichen Gleichklang. Das ist wichtig, denn wir dürfen nicht vergessen, dass es im ländlichen Raum viele Arbeitnehmer und Familien gibt, die auf das Auto angewiesen sind. Ich möchte, dass auch in Zukunft eine ganz normale Familie sonntags mit ihrem Auto zu den Großeltern fahren oder einen Ausflug ins Grüne machen kann. Wir brauchen zudem endlich ein ausreichendes Angebot von günstigen Elektrofahrzeugen. Und wir müssen in die Erforschung von neuartigen Kraftstoffen investieren.

Die Strompreise steigen 2020 weiter. Die Industrie klagt seit Langem über die höchsten Strompreise in Europa. Wie wollen Sie den Preisanstieg stoppen?

Altmaier: Ja, die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien, die EEG-Umlage, steigt im kommenden Jahr leicht an, nachdem sie in den zwei Jahren davor leicht gesunken war. Insgesamt sehen wir aber eine Stabilisierung der EEG-Umlage. Ziel muss aber weiter sein, dass die Strompreise sich wieder im Mittelfeld in Europa bewegen. Dazu brauchen wir bei der EEG-Umlage und bei den Netzentgelten eine spürbare Entlastung aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung.

Vorgesehen ist aber bisher nur, die EEG-Umlage ab 2020 aus staatlichen Mitteln um 0,25 Cent pro Kilowattstunde zu senken. Das ist dann nur ein Einstieg´?

Altmaier: Ja. Die Bundesregierung muss und wird dafür sorgen, dass die steigenden Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Zukunft vorrangig für die Reduzierung der Strompreise eingesetzt werden.

Die Verhandlungen zur Grundrente laufen. Wie muss sie ausgestaltet sein, um Steuerzahler und Wirtschaft nicht zu überlasten?

Altmaier: Die Union ist nur dann bereit, die Grundrente einzuführen, wenn sie mit einer Bedürftigkeitsprüfung einhergeht. Menschen mit hohen sonstigen Einkommen sollen von der Grundrente nicht profitieren, weil das zu Lasten aller anderen Bürger ginge. Es muss außerdem unmissverständlich sichergestellt sein, dass die Grundrente allein aus Haushaltsmitteln finanziert wird und nicht durch einen Griff in die Rentenkasse.

Eine umfassende Bedürftigkeitsprüfung lehnt die SPD aber strikt ab. Sie ist nur bereit, eine Bedarfsprüfung zu akzeptieren, bei der die Finanzämter prüfen, ob jemand eine festgelegte Grenze beim zu versteuernden Einkommen nicht überschritten hat. Sind Sie bereit dem zuzustimmen?

Altmaier: Wir suchen in der Koalition eine Lösung. Eine Bedürftigkeitsprüfung muss es geben. Wie diese genau ausgestaltet wird, darüber können wir reden und das tun wir auch.

Sollte die große Koalition an der Frage der Grundrente scheitern?

Altmaier: Nein, aber dazu ist notwendig, dass die SPD nicht ständig auf dem Koalitionsvertrag drauf sattelt.

Die Konjunktur schwächelt. Finanzminister Scholz hat signalisiert, dass er notfalls Geld für mehr Konjunkturhilfe lockermachen würde. Wie sollte die Regierung die Konjunktur ankurbeln?

Altmaier: Wir müssen den Soli für alle abschaffen, nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahler. Dafür müssen wir in dieser Legislaturperiode bereits jetzt die Schritte festlegen. Ich schlage eine Freibetragsgrenze bei der Einkommensteuer vor, von der sofort alle Steuerzahler profitieren würden und mit Wirkung schon ab 2020, nicht erst ab 2021. Das würde Investitionen und Wachstum ankurbeln. Wir brauchen auch eine Unternehmenssteuerreform für alle Unternehmen, nicht nur für die Personengesellschaften. Das ist mein Vorschlag an Olaf Scholz. Ich bin bereit, zu jedem Zeitpunkt einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten und dem Finanzminister vorzuschlagen.

Wie soll eine solche Steuerreform konkret aussehen? Soll es auch zu einer Netto-Entlastung der Wirtschaft kommen?

Altmaier: Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland hoch: Die Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften liegt bei 30 bis 35 Prozent, die Spitzensteuerbelastung von Personengesellschaften bei 45 Prozent und kann sogar bis auf 50 Prozent ansteigen. Kernpunkt einer umfassenden Unternehmenssteuerreform muss sein, die Steuerbelastung auf einbehaltene Unternehmensgewinne auf 25 Prozent zu senken. Damit muss auch eine Netto-Entlastung der Wirtschaft einhergehen.

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