Spielbank in Bad Neuenahr Als im Casino nichts mehr ging

BAD NEUENAHR · Vor 50 Jahren traten die Croupiers der Spielbank Bad Neuenahr in den Streik. Günther Schmitt blickt für ga-bonn.de zurück.

 Ein Bild aus alten tagen: Springbrunnen und Vordach am Eingang sind auch heute noch Erkennungsmerkmale der Spielbank Bad Neuenahr.

Ein Bild aus alten tagen: Springbrunnen und Vordach am Eingang sind auch heute noch Erkennungsmerkmale der Spielbank Bad Neuenahr.

Foto: Martin Gausmann

Sie galten als die ungekrönten Könige von Bad Neuenahr, die Croupiers der Spielbank. Sie fuhren die dicksten Autos, waren die Wunschschwiegersöhne Ahrtaler Mütter. Denn sie verdienten richtig Geld. Bis zu 4000 Mark im Monat waren 1967 kein Pappenstiel. Denn das wären nach Kaufkraft heute 7781 Euro. Ein Arbeiter verdiente damals rund 800 Mark, was heute 1556 Euro wären.

Und dennoch wollten sie mehr. Vor 50 Jahren traten die Herren mit den zugenähten Taschen am schwarzen Smoking in den Streik. Und machten mit dem bis dato einzigen Streik an einer deutschen Spielbank bundesweit von sich reden. Grund: Die mehr als 100 in der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) Organisierten forderten einen neuen Tarifvertrag ein.

Konkret ging es um die Verteilung der Gelder aus dem Tronc. Das ist das Trinkgeld, das von Gewinnern beim Roulette mit der Ansage „Für die Angestellten“ in einen Schlitz im Spieltisch wandert und täglich unter Aufsicht eines Finanzbeamten gezählt wird. „Rund 600.000 Mark kamen da monatlich zusammen“, berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“ vor 50 Jahren. Aus dem Tronc wurden nach damaligem Spielbankgesetz die Angestellten des Casinos, die alle einen Basislohn haben, nach einem komplizierten Verteilerschlüssel je nach Aufgabe in den Spielsälen bezahlt.

Was die Croupiers in Harnisch brachte, war der Umstand, dass Gelder aus dem Tronc „rechtswidrig für Angestellte, die nichts mit dem Spielbetrieb zu tun haben, und für private Zwecke der Direktion verwendet“ wurden. Da standen damals rund 50.000 Mark pro Monat in Rede. Zudem hatte bereits 1965 das Land Anspruch auf 20 Prozent des Troncs für gemeinnützige Zwecke zusätzlich zu seiner 60-prozentigen Spielbankabgabe erhoben.

Spielbank Bad Neuenahr vorläufig geschlossen

Diese Forderung wurde jedoch schon im Dezember 1965 vom Landesarbeitsgericht in Mainz gekippt, später aber per Gesetz wie die 90-prozentige Spielbankabgabe geregelt. Grund: „Casino und Angestellte sollten nicht übermäßig durch das Glücksspiel verdienen“, erläuterte der aktuelle Spielbankchef Michael Seegert im GA-Gespräch. Er nannte den damaligen Streik „ein unrühmliches Kapitel“ des Casinos.

„Wegen eines Streiks der Croupiers musste die Spielbank Bad Neuenahr vorläufig geschlossen werden. Ein Notdienst kam nicht zustande“, berichtete die Honnefer Volkszeitung, deren Archiv heute dem General-Anzeiger gehört, in ihrer Ausgabe vom 3. Januar 1967. Die zunächst unter Warnstreik firmierende Arbeitsniederlegung war zum Jahreswechsel 1966/67 die Konsequenz aus einer Urabstimmung vom 27. Dezember 1966, in der sich die in der HBV organisierten Croupiers zu 100 Prozent für einen Arbeitskampf ausgesprochen hatten.

Was der damalige Prokurist der Spielbank, Carl Alexander von der Groeben, so kommentierte: „In dieser Gehaltsgruppe streikt man nicht.“ Die Croupiers reagierten und gingen in einen weiteren, auf sieben Tage angesetzten Streik, das Casino reagierte mit Aussperrung.

Das war die große Stunde der Aushilfen, Pagen und Studenten. Fast rund um die Uhr wurden neue Croupiers ausgebildet, um den weiteren Betrieb zu sichern. Bevorzugt wurden „wegen ihrer Fingerfertigkeit Kellner und Friseure“, berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vor 50 Jahren. Dennoch blieben die Pforten des Casinos am Ahrufer eine Woche geschlossen. Den folgenden unbefristeten Streik konterte die Spielbank mit dem Einsatz dieser Eingreiftruppe, die sich damit den Unwillen der Stammcroupiers zuzog.

Schläge für Streikbrecher

Einigen Streikbrechern sollen sogar Schläge versetzt worden sein. Um den Betrieb in den Sälen zu schützen, ließ der damalige Ahrweiler Polizeichef Werner Kraft seinen einzigen Streifenwagen am Casino auffahren. „Da war gleich Ruhe“, sagte von der Groeben damals der „Zeit“. Denn Croupiers seien „keine Klassenkämpfer, sondern Bürger“. In der Nacht zum 21. Januar 1967 pfiff dann die Gewerkschaft ihre Mitglieder zurück.

Nicht alle ausgesperrten Croupiers wurden übrigens wieder eingestellt. Das Casino hatte persönliche Gespräche und den alten Tarif angeboten, doch gut zwei Dutzend der Herren in Schwarz hatten diese nicht wahrgenommen. Eine Klage der Betroffenen vor dem Bundesarbeitsgericht blieb 1971 ohne Erfolg.

In dem Beschluss des Großen Senats heißt es unter dem Aktenzeichen GS 1/68 1 unter anderem: „Es besteht kein Anspruch auf Wiedereinstellung.“ Man könne der Spielbank keinen Ermessensmissbrauch vorwerfen, weil sie bis zum Stichtag 21. März zuerst diejenigen wieder eingestellt habe, die sich persönlich und frühzeitig gemeldet hatten.

Heute gibt es keine ungekrönten Könige mehr in Bad Neuenahr. Die Geberlaune der Gewinner hält sich in Grenzen. So deckt der Tronc nicht mal mehr die seit 2008 tariflich festgelegten Garantiegehälter, sondern muss, so Spielbankchef Michael Seegert, aus anderen Mitteln des Casinos aufgestockt werden. Und Streiks hat es auch nicht mehr gegeben.

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