Fragen & Antworten: Opposition bei großer Koalition zahnlos

Berlin · Sollte es zu einer großen Koalition kommen, wäre die Opposition im Bundestag so schwach wie seit gut 40 Jahren nicht mehr.

 Sitzen im neuen Bundestag in der Opposition: Die Linke: Bernd Riexinger (l-r) und Katja Kipping, Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi. Foto: Bernd von Jutrczenka

Sitzen im neuen Bundestag in der Opposition: Die Linke: Bernd Riexinger (l-r) und Katja Kipping, Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi. Foto: Bernd von Jutrczenka

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Linke und Grüne kommen zusammen auf 127 von 630 Sitzen und damit nur auf 20 Prozent. Zur Ausübung bestimmter Minderheitenrechte reicht das nicht - falls nicht das Grundgesetz geändert wird.

Gab es in der Geschichte des Bundestags schon einmal eine Koalition mit einer Drei-Viertel-Mehrheit?

Ja. Zwischen 1966 und 1969 war die FDP einzige Oppositionspartei. Mit weniger als zehn Prozent aller Abgeordneten im Bundestag konnte sie den Regierungsfraktionen Union und SPD kaum etwas entgegensetzen. Die zweite große Koalition zwischen 2005 und 2009 war nicht ganz so stark. Union und SPD stellten damals 73 Prozent der Abgeordneten. FDP, Grüne und Linke kamen zusammen auf 166 von 614 Sitzen und damit auf etwas mehr als ein Viertel.

Welche praktischen Auswirkungen hätte die Schwäche der Opposition bei Bildung einer großen Koalition?

Der Opposition wurden im Grundgesetz und der Geschäftsordnung des Bundestags bestimmte Minderheitenrechte eingeräumt. Das wichtigste ist das Recht zur Einsetzung von Untersuchungsauschüssen, die mögliches Fehlverhalten einer Regierung aufklären sollen. Artikel 44 des Grundgesetzes sieht vor, dass der Bundestag ein solches Gremium mit den Stimmen eines Viertels seiner Mitglieder beschließen kann. Linken und Grünen fehlen dafür im neuen Bundestag 41 Sitze. Damit könnte ein Untersuchungsausschuss nur noch mit Unterstützung aus den Koalitionsfraktionen eingesetzt werden.

Das gilt auch für die Einleitung von Normenkontrollverfahren, bei denen das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit von Bundesgesetzen mit dem Grundgesetz überprüft (Artikel 93 des Grundgesetzes). Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht zudem vor, dass auch einer Sondersitzung des Bundestags mindestens ein Viertel der Abgeordneten zustimmen müssen.

Wie kann die Rechtslage geändert werden, um auch einer kleinen Opposition mehr Handlungsspielraum zu geben?

Das Grundgesetz und die Geschäftsordnung müssten geändert werden. Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig. Die Geschäftsordnung des Bundestags kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden.

Linksfraktionschef Gregor Gysi hat für den Fall einer großen Koalition bereits angekündigt, die Initiative für eine Verfassungsänderung zu ergreifen. "Es muss doch eine Chance geben, dass wir die Rechte, die im Bundestag bestehen, auch nutzen", sagt er. "Sonst hätten wir vier Jahre ohne einen Untersuchungsausschuss, wenn die Großen es nicht wollen."

Die Chancen für eine Grundgesetzänderung stehen gar nicht schlecht. Sollte eine große Koalition mit einer solch riesigen Mehrheit der Opposition elementare Rechte verweigern, wäre das dem Wähler wohl nur schwer vermittelbar.

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