"Im Sommer wohnt er unten" Tom Sommerlattes vielversprechendes Debüt

BONN · Nicht einmal der Rasen ist gemäht. David (Godehard Giese) ist genervt, als er auf dem Hof des Feriendomizils der Familie an der französischen Atlantikküste vorfährt.

 Matthias (Sebastian Fräsdorf) muss weichen.

Matthias (Sebastian Fräsdorf) muss weichen.

Foto: Kinostar

Sein jüngerer Bruder Matthias (Sebastian Fräsdorf) ist eigentlich für die Pflege des Grundstücks zuständig, wenn die Eltern ihn mit seiner Freundin Camille (Alice Pehlivanyan) hier schon umsonst wohnen lassen. Aber der führt eher einen gelassenen Lebenswandel und hatte mit Karriere nie etwas im Sinn.

Der große Bruder hingegen ist, wie schon der Vater, eine große Nummer im Bankgeschäft und bestimmt mit dem Gestus einer versierten Führungskraft, wo es lang geht in den nächsten zwei Wochen. Matthias muss nach unten ziehen, weil David mit seiner Frau Lena (Karin Hanczewski) das Balkonzimmer im ersten Stock beansprucht.

Matthias lässt sich das demütigende Verhalten des großen Bruders widerstandslos gefallen, was die energische Camille wiederum auf die Palme bringt. Sie fordert David heraus - zunächst in abendlichen, unnachgiebigen Debatten, später aber auch auf flirtend-erotische Weise.

In seinem Regiedebüt "Im Sommer wohnt er unten" entwirft Tom Sommerlatte ein Ferienhaus-Kammerspiel, in dem vor idyllischer Urlaubskulisse die Machtbeziehungen zwischen Geschwistern und Eheleuten ausgefochten werden. Dabei orientiert sich der Regisseur an den zahlreichen Vorlagen des französischen Kinos, in dem das Sommerhaus immer wieder als Austragungsort für familiäre und amouröse Kleinkriege in Gebrauch genommen wird.

"Im Sommer wohnt er unten" spielt die Konflikte jedoch direkter und härter an, ohne sich in dramatischen Überdosierungen zu verlieren. Die Beziehungsdynamik bleibt immer im Bereich der Glaubwürdigkeit und wird mit einem genauen Blick für emotionale Zwischentöne, aber auch mit unaufdringlichem Humor in Szene gesetzt. Das Ensemble ist mit sichtbarer Spielfreude dabei. Ein rundum vielversprechendes Regiedebüt, das vor allem durch sein stringentes filmisches Konzept und die differenzierte Charakterisierungen überzeugt.

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