Musik Till Brönner: Obama, Trump und Frank Sinatra

Berlin · Jazz ist Nischen- und Kennermusik - mit nur wenigen Ausnahmen. Till Brönner steht mit seinen Platten regelmäßig weit oben in den Charts. Im dpa-Interview spricht er über sein Verhältnis zum Pop - und über einen ganz besonderen Tag in seinem Leben.

 Till Brönner hat das Gefühl, dass Donald Trump kein Ständchen verdient hätte.

Till Brönner hat das Gefühl, dass Donald Trump kein Ständchen verdient hätte.

Foto:  Daniel Reinhardt

Er ist einer der bekanntesten und besten deutschen Jazzmusiker, seine Karriere führte ihn bis ins Weiße Haus. Jetzt hat der Trompeter und Sänger Till Brönner (45) sein neues Album "The Good Life" veröffentlicht.

Die Deutsche Presse-Agentur sprach mit ihm über Barack Obama, Donald Trump, gutes Leben und gute Songs - und über den nachlassenden Druck, im Jazz Grenzen zu überschreiten.

Frage: Im April waren Sie als einziger Deutscher zu Gast bei Präsident Obamas Jazz-Gipfel - eine besondere Ehre. Wie kam es dazu?

Antwort: "Ich habe wirklich gar nicht damit gerechnet, dabei zu sein. Weil ich mir dachte, dass das im Weißen Haus eine große amerikanische Veranstaltung sein wird. Ich bin dann aber doch eingeladen worden, und da konnte ich natürlich nicht absagen."

Frage: Und wie haben Sie das Event mit Stars aus aller Welt erlebt?

Antwort: "Auch gestandene Musiker, große Innovatoren im Jazz, waren berührt. So eine Einladung des Präsidenten ins Weiße Haus, das ist ja bis dato noch nie passiert. Da stehen 45 Topstars wie die Hühner auf der Stange nebeneinander und warten auf Barack Obama. Man hat gemerkt, welch enges Verhältnis der Präsident zu dieser Musik hat. Ich war sehr beeindruckt. Mir war vor allem klar, dass ich so etwas nie wieder erleben werde. Es gibt ja solche Momente, wo man weiß: Das hier ist jetzt einmalig."

Frage: Würden Sie auch für einen Präsidenten Trump spielen?

Antwort: "Von Trump hat man ja das Gefühl, dass er kein Ständchen verdient hätte, wenn er es schafft. Aber ich denke, es wird einfach nicht dazu kommen. Übrigens auch aus musikalischen Gründen nicht. Beispielsweise gab's zu Zeiten von George W. Bush sehr viel Country, dagegen war Obama ein Jazz- und Soul-Mann. Trumps Musikgeschmack kenne ich nicht - aber man ist ja geneigt, schon irgendwelche Vorahnungen zu haben."

Frage: Zu Ihrem neuen Album - es heißt "The Good Life". Wie kamen Sie auf den Titel?

Antwort: "Das Album hatte lange keinen Titel. Wir haben uns erstmal intensiv mit der Musik beschäftigt, dann haben wir mit Titel-Ideen hantiert, die gar nicht von den Songs auf dem Album stammten. Am Ende hatte es mit der Wirkung von 'The Good Life' auf dem Albumcover zu tun. Das sah gut aus. Die Worte klangen auch gut. Und es passte auch vom Inhalt des Songs her - es geht ja in Sacha Distels Lied um das Wahre und Wertvolle im Leben: Wieviel ist man bereit abzugeben für ein Leben mit dem Menschen, den man liebt."

Frage: Die Platte besteht aus klassischen Songs des Repertoires von Frank Sinatra. Warum diesmal ein Album mit Schwerpunkt beim Gesang?

Antwort: "Man stellt fest, dass eigentlich alle guten Songs aus dieser Ära der 50er und 60er Jahre irgendwann von Sinatra gesungen wurden. Das ist ein Fass ohne Boden. In diesem Fall war es der Produzent Ruud Jacobs, der mich auf die Idee eines gemeinsamen Albums mit solchen Songs brachte. Ich wollte aber eigentlich gar nicht so viel singen. Jacobs ist ein guter Menschenkenner, er hat mir schnell die Angst genommen. Wir haben ja auch nicht 'New York New York' aufgenommen, sondern Songs, die viele noch gar nicht unbedingt von Sinatra kennen."

Frage: "The Good Life" geht mit schönen Liedern auf Nummer sicher. Ist Ihnen Erfolg wichtiger als künstlerisches Risiko?

Antwort: "Für mein rotes Album von 2012 gab es Lobeshymnen aus allen Richtungen - aber das war meine am schlechtesten verkaufte Platte. Es gibt ja diese alte Faustregel: Wenn Kritiker es mögen, wird es leider kein Erfolg. Ich bin sicher, die richtigen Leute trauen mir zu, noch mal ein solches Album mit hohem Risiko zu machen - weil ich mir das natürlich selber auch zutraue. Der Moment wird kommen. Aber man darf nicht damit rechnen, dass ich das vorher bekannt gebe. Ich habe dazu schon große Lust. Aber auch das mache ich dann nicht für die Anerkennung anderer, sondern letztlich für mich selbst."

Frage: Sie haben keine Berührungsängste mit Popmusik. Welche Platten nehmen Sie auf die berühmte Insel mit - mehr Jazz oder mehr Pop?

Antwort: "Auf jeden Fall mehr Jazz. Aber heute verschmelzen Jazz und Pop doch ohnehin viel mehr miteinander. Singer-Songwriter-Musik wie etwa von Joni Mitchell schließt doch den Jazz längst mit ein. Und Jazz ist heute nicht mehr die Musik, die Gesetze bricht."

Frage: Ist das aus Ihrer Sicht eine gute Entwicklung?

Antwort: "Wenn sich heute ein Jazz-Musiker aus meiner Generation unter Druck fühlt, alles auf den Kopf stellen zu müssen, dann hat er ein großes Problem. Und das eigentlich schon seit 20 Jahren - der neue John Coltrane ist einfach nicht geboren worden. Das verschafft aber auch Freiheiten. Ich muss mich nicht mehr nur mit Material befassen, das aus meinem eigenen Leben stammt. Gerade die persönliche Auseinandersetzung mit fremden Songs, die Interpretation wird heute vom Hörer gut verstanden. Das macht auch mich als Musiker lockerer."

ZUR PERSON: Der am 6. Mai 1971 in Viersen am Niederrhein geborene Till Brönner veröffentlichte vor 23 Jahren sein erstes Album "Generations Of Jazz" und wurde gleich mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik belohnt. Der Trompeter, Sänger, Komponist und Arrangeur erhielt mehrere Echo-Jazz-Preise, und er war 2009 für einen Grammy nominiert. Seine Alben landen regelmäßig auf vorderen Charts-Rängen. Brönner lehrt Jazz an der Hochschule für Musik in Dresden, er lebt in Berlin-Charlottenburg und Los Angeles.

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