Fall Khashoggi Türkei erlässt Haftbefehle gegen hochrangige Saudis

Istanbul/Washington · Es ist ein weiterer Schlag gegen das engste Umfeld des saudischen Kronprinzen: Die Türkei stellt wegen des Mordes am Regierungskritiker Jamal Khashoggi Haftbefehle gegen zwei hohe Beamte aus. Derweil erscheint in Istanbul am Tatort angeblich Hollywood-Star Sean Penn.

Die Türkei holt erneut gegen das engste Umfeld des saudischen Kronprinzen aus und erlässt im Fall des ermordeten saudischen Regierungskritikers Jamal Khashoggi Haftbefehle gegen zwei hohe Beamte.

Einer von beiden sei Saud al-Kahtani, ein enger Vertrauter von Prinz Mohammed bin Salman, wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch berichtete. Der andere Haftbefehl erging demnach gegen den Ex-Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri. Beide halten sich in Saudi-Arabien auf. Das Gericht stellte die Dokumente auf Forderung des Istanbuler Generalstaatsanwalts aus.

Den Haftbefehlen zufolge, aus denen Anadolu zitiert, wirft die Staatsanwaltschaft den beiden prominenten Beamten "geplanten und vorsätzlichen Mord" vor. Auch von "Folter" ist die Rede. Die Männer seien unter denjenigen gewesen, die den Mord in Saudi-Arabien geplant hätten. Nachdem die Staatsanwaltschaft auf "neue Beweise" gestoßen sei, habe sie die Fahndungs- und Haftbefehle ausgestellt.

Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte erneut, dass die Türkei mit ihren Ermittlungen "bis zum Ende gehen" werde. Falls sie nicht weiterkomme, werde sie aber auch vor einer internationalen Untersuchung des Falls "nicht zurückschrecken", sagte er beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel.

Eine Untersuchung von einer "internationalen Kommission" forderte auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. Auch mehrere unabhängige Menschenrechtsberichterstatter hätten bereits eine internationale Untersuchung verlangt. "Ich glaube, das ist wirklich nötig, um herauszufinden, was wirklich passiert ist und wer für die schreckliche Tötung verantwortlich ist", sagte Bachelet. Eine solche Untersuchung müssten UN-Mitgliedsländer einfordern.

Die Haftbefehle sind ein weiterer Versuch der Türkei, die vollständige Aufklärung des Todes Khashoggis voranzutreiben. Die Türkei und Saudi-Arabien sind Rivalen in der Region. Außerdem nimmt es die türkische Regierung Riad übel, das Verschwinden des Regierungskritikers in der Türkei orchestriert zu haben.

Die Fahndungs- und Haftbefehle sind aber wohl eher ein politischer Schachzug, um den Druck auf Saudi-Arabien aufrecht zu erhalten, als ein aussichtsreiches juristisches Manöver. "Praktisch wird das wohl kaum ein Resultat bringen", sagt der türkische Strafrechtler Murat Deha Boduroglu. Die Türkei werde die Fahndungs- und Haftbefehle wohl an Interpol weiterleiten, so Boduroglu. Aber die Betroffenen seien jetzt vorgewarnt und würden sicherlich bei eventuellen Reisen Rechtsstaaten meiden, in denen die Auslieferung drohen würde.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon mehrfach verlangt, dass alle Tatbeteiligten in der Türkei vor Gericht gestellt werden müssten. Saudi-Arabien hat ein entsprechendes Auslieferungsersuchen aber abgelehnt und einen eigenen Prozess angestrengt, in dem angeblich elf Menschen angeklagt sind und fünf nach Willen der Staatsanwaltschaft hingerichtet werden sollen. Die Namen der Angeklagten sind nicht bekannt. Al-Kahtani zumindest scheint Medienberichten zufolge auf freiem Fuß zu sein. Nach offiziellen Angaben waren sowohl Al-Kahtani als auch Al-Asisi aus ihren Ämtern entlassen worden.

Khashoggi war Anfang Oktober im saudischen Konsulat im Istanbuler Stadtviertel Besiktas getötet worden. Die türkischen Behörden machen ein aus Saudi-Arabien angereistes Mordkommando dafür verantwortlich. Präsident Erdogan hatte mehrfach betont, "höchste Kreise" seien involviert. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wird aber auch international verdächtigt, die Tat in Auftrag gegeben oder zumindest von ihr gewusst zu haben.

In der Nacht zum Mittwoch hatten sich auch US-Senatoren nach einem CIA-Briefing überzeugt gezeigt, dass der Kronprinz an dem Mord beteiligt war. Die beiden Republikaner Bob Corker - der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat - und Lindsey Graham stellten sich am Dienstag in Washington gegen den republikanischen Präsidenten Donald Trump. Graham sagte über den saudischen Kronprinzen: "Ich denke, dass er verrückt ist, ich denke, dass er gefährlich ist, und er hat die Beziehung gefährdet."

Corker sagte nach dem Briefing: "Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass der Kronprinz die Tötung angeordnet hat, die Tötung überwacht hat, genau wusste, was passierte, und es vorab geplant hat. Wenn er vor einer Jury wäre, würde er innerhalb von 30 Minuten schuldig gesprochen."

Unterdessen hat der Fall offenbar auch Hollywood erreicht. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu zeigte am Mittwoch ein Video von Dreharbeiten vor dem Konsulat, das den Schauspieler und Polit-Aktivisten Sean Penn zeigen soll. Dem Bericht zufolge arbeitet Penn an einem Dokumentarfilm über den Mord im Konsulat.

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