Auftritt in Berlin Friedrich Merz spürt Rückenwind innerhalb der CDU

Berlin · Bei einem Auftritt von Friedrich Merz vor einem Mittelstandsforum in Berlin halten Fans innerhalb der CDU bereits Schilder mit Aufschriften wie „Kanzler Merz“ in die Höhe. Doch wenn er tatsächlich an die Spitze der Partei kommt, könnten seine scharfen Formulierungen mehr auf die Godwaage gelegt werden.

 Friedrich Merz will Kanzlerkandidat der CDU werden.

Friedrich Merz will Kanzlerkandidat der CDU werden.

Foto: dpa/Christian Charisius

Friedrich Merz ist ein emotionaler Mann. Wenn er redet, erst recht vor Publikum, geht es im Galopp durch die Themen. Er schimpft und lobt, reißt Witze und liebt scharfe Formulierungen. Manchmal gehen da vielleicht die Pferde mit ihm durch. Jedenfalls bedauerte er am Donnerstag beim Auftritt vor einem Mittelstandsforum in Berlin selbst schnell eine fragwürdige Beschreibung im Zusammenhang mit der AfD. Offensichtlich in Rage geredet hatte er gesagt: „Wenn ich dazu etwas beitragen kann, dass dieses Gesindel wieder verschwindet, dann leiste ich diesen Beitrag.“ Gesindel – darunter wird laut Duden eine Gruppe von Menschen verstanden, die als minderwertig betrachtet wird - ein Synonym für Pack und Pöbel, womit in der Politik der Gegner gern ehrverletzend heruntergemacht werden soll. Merz nimmt noch in seiner Rede von dem Begriff wieder Abstand.

Meistens führt eine Verrohung der Sprache auch nicht zu dem Erfolg, den man gern hätte. Als Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel einmal bei einem Besuch in Ostdeutschland eine Gruppe von mutmaßlich Rechtsextremen als „Pack“ bezeichnet hatte, hielten in der Folge Menschen bei Politiker-Auftritten Transparenten mit der Aufschrift „Wir sind das Pack“ hoch.

Dann hatte Merz noch eine Anleihe an den Frauennamen genommen, mit der Meteorologen derzeit Sturmtiefs benennen. Am vorigen Wochenende war es „Sabine“. Der Orkan über die CDU brach dann aber mit der Rückzugsankündigung des CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer herein. Merz sagte, es sei übrigens rein zufällig so, „dass die Tiefs im Augenblick Frauennamen tragen". Lacher im Saal, die Männer waren die große Mehrheit im Publikum. So lange Merz nicht Chef der letzten Volkspartei und auch nicht Kanzlerkandidat ist, wird deswegen kein Sturm über ihn hinwegfegen. Sollte er an die Spitze kommen, dürfte jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden.

An dem Abend im „Ballhaus“ in Berlin hielten Merz-Fans schon einmal Schilder mit „Kanzler Merz“ und „Ein Herz für Merz“ vor. Er verspürt Rückenwind. Der ehemalige Unionsfraktionsvorsitzende führt nach einer Umfrage das Feld der potenziellen Nachfolger von Kramp-Karrenbauer an. Nach dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend vom Donnerstag sind 40 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass der 64-Jährige ein guter Kanzlerkandidat wäre. Für 30 Prozent der Befragten wäre Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet der richtige Mann im Rennen um das Kanzleramt. Gesundheitsminister Jens Spahn hielt jeder Vierte (24 Prozent) für einen guten Kanzlerkandidaten. Betrachtet man nur die Meinungen der Unions-Anhänger, liegt Merz nach der Erhebung noch deutlicher in Führung: 69 Prozent sagten, er wäre ein guter Kanzlerkandidat. Bei Laschet waren es 43 Prozent und bei Spahn 24 Prozent.

Eigentlich sollten die möglichen Konkurrenten sie ja erst einmal miteinander sprechen, bevor der interne Wahlkampf richtig ausbricht. Aber aus dem Umfeld von Merz wurde am Mittwochabend bekannt, dass er zur Kandidatur entschlossen sei. Entsprechend entschlossen argumentierte er auch im „Ballhaus“. Seine Idee aus dem Jahr 2003, wonach seine Steuerreform so kompakt wäre, dass sie auf einen Bierdeckel passte, spielte auch eine Rolle. „Der Bierdeckel ist tot. Vergessen Sie den Bierdeckel“, sagte er. Im Januar hatte er im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters vorgeschlagen, bei der Besteuerung von Firmen und Privatpersonen strikt zu unterscheiden. „Da kommt der Bierdeckel wieder zum Vorschein, aber anders – beidseitig beschrieben.“

Spahn gab dem „Spiegel ein Interview und mahnte, die CDU müsse wieder „laufen lernen“. Die CDU müsse sich von Bundeskanzlerin Angela Merkel emanzipieren. Das hatte er schon im vorigen Jahr fallen lassen. Jetzt bekommt es noch einmal eine aktuelle Bedeutung. Es war Merkels Wortwahl, als sie CDU 1999 aufforderte, sich von ihrem Übervater Helmut Kohl zu lösen.

Auch Armin Laschet war in der Stadt. Bei einem Treffen mit dem CDU-Wirtschaftsrat, dessen Vizepräsident Merz ist. Das war allerdings eine nichtöffentliche Veranstaltung. Es drang wenig nach draußen. Außer, dass Laschet zur Geschlossenheit mahnte.

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