Nato-Gipfel in Warschau Die Lücke von Suwalki

Warschau · Die Bundeswehr soll Litauen für die Nato gegen eine mögliche Bedrohung aus Russland schützen. Für die Truppe ist der Einsatz Neuland.

 Eine Grenzmarkierung Polens in Zerdziny, am Dreiländereck Polen, Litauen und Kaliningrad (Russland).

Eine Grenzmarkierung Polens in Zerdziny, am Dreiländereck Polen, Litauen und Kaliningrad (Russland).

Foto: AFP

Die Bundeskanzlerin nennt es schlicht „Rahmennation“. Das ist schön gesprochen, gemessen daran, dass die Bundeswehr im Nato-Auftrag näher an russische Einflusssphäre heranrobbt. Ab 2017 will das nordatlantische Militärbündnis seine Militärpräsenz in Osteuropa verstärken und jeweils ein Bataillon in Estland, Lettland, Litauen und Polen stationieren. Deutschland soll dabei als „Rahmennation“ ein Bataillon in Litauen anführen. Die Nato will Russland demonstrieren, dass sie sehr wohl gewillt ist, ihre Ostflanke zu verteidigen.

Gerade die baltischen Staaten, aber auch Polen befürchten, Moskau könnte nach dem Muster der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim sich womöglich auch das Baltikum – in Teilen oder ganz – wieder einverleiben wollen.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite jedenfalls freut sich über so viel alliierte Entschlossenheit: „Die Nato hat ihre Schreibstuben und ihre Pläne auf Papier hinter sich gelassen, ist aufs Feld hinausgegangen und zu einer echten Verteidigungsorganisation geworden.“ Die Bundeswehr wird folglich in Litauen mit Teilen der deutsch-französischen Brigade auch aufs Feld hinausgehen. „Tausend Soldaten sind nicht dramatisch. Tausend Soldaten sind nicht so wichtig. Aber wenn es null Soldaten wären, wäre es wichtig“, sagt der litauische Außenminister Linas Linkevicius im GA-Gespräch über das Signal der Nato an Russland. Politik bestehe nun mal auch aus Symbolen, so Linkevicius.

Wenn die Bundeswehr im kommenden Jahr rund 500 Soldaten nach Litauen schickt, übernimmt sie für ein Land mit drei Millionen Einwohnern und etwa so groß wie Bayern einen ähnlichen Sicherheitsauftrag, wie ihn auch US-Soldaten in der Zeit des Kalten Krieges in der Bundesrepublik erledigt haben.

Kein Ort in Litauen ist weiter als 250 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Litauen selbst hat nur rund 16 000 Soldaten unter Waffen. In Litauen, das sowohl der Nato wie auch der Europäischen Union angehört, geht die Furcht um, Russland könnte, wenn es wollte, das Land und den Rest des Baltikums quasi über Nacht einnehmen.

Die sogenannte Suwalki-Lücke, benannt nach der nordostpolnischen Grenzstadt Suwalki, trennt die hoch gerüstete russische Enklave Kaliningrad und Weißrussland lediglich auf einer Länge von nur 65 Kilometern. Dazwischen verläuft Nato-Gebiet. Weil es schwer zu verteidigen wäre, gilt es damit als Achillesferse der Allianz. Das Bündnis jedenfalls hofft, dass Russland ein Signal aus Warschau empfangen hat: „Abschreckung durch gemeinsame Präsenz“.

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