Düstere Aussichten So verlieren die Kirchen überall massiv Mitglieder

Potsdam · Eine Studie des Freiburger Forschungszentrums Generationenverträge (FFG) prognostiziert den Kirchen in Deutschland eine Halbierung ihrer Mitglieder bis zum Jahr 2060. Verantwortlich dafür ist Bündel von Ursachen.

 Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich bis zum Jahr 2060 auf eine Halbierung ihrer Mitgliederzahlen einstellen.

Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich bis zum Jahr 2060 auf eine Halbierung ihrer Mitgliederzahlen einstellen.

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Die beiden großen Kirchen in Deutschland müssen sich bis zum Jahr 2060 auf eine Halbierung ihrer Mitgliederzahlen einstellen. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag veröffentlichten Studie, die das Freiburger Forschungszentrum Generationenverträge (FFG) für die 20 evangelischen Landeskirchen und die 27 katholischen Diözesen in Deutschland erstellt hat.

Bereits bis 2035 werden die beiden großen Kirchen demnach 22 Prozent ihrer Mitglieder verlieren. Ein Beispiel dafür ist die heute 2,5 Millionen Gemeindeglieder zählende Evangelische Kirche im Rheinland (EkiR). Sie wird im Jahr 2060 wohl nur noch auf 1,39 Millionen Mitglieder kommen. Das katholische Bistum Aachen würde bis dann von einer Million auf nur noch 480.000 Gemeindeglieder schrumpfen.

Für das Erzbistum Köln, das schon seit vielen Jahren „demografische und gesellschaftliche Entwicklungen und Strömungen“ untersucht, sind die neuen Zahlen „keine Überraschungen“, sagt Pressesprecher Christoph Heckeley. „Sie machen aber auf eindringliche Weise die Größe der Herausforderungen deutlich.“

Zu wenig neu geborene Mitglieder

„Wir dürfen diese Entwicklung nicht schönreden“, sagte Prof. Andreas Barner, Mitglied im Rat der EKD und früherer Vorsitzender der Unternehmensleitung der Boehringer Ingelheim AG, als die Studie kürzlich Journalisten vorab präsentiert wurde. „Für die Kirchen ist es fünf vor zwölf.“ Man habe noch Zeit zu handeln, müsse diese aber nutzen.

Für den Mitgliederrückgang nennt die Studie vor allem zwei Gründe: Den Sterbeüberschuss – in den nächsten Jahren werden erheblich mehr Kirchenmitglieder sterben, als Kinder geboren werden oder neue Mitglieder nach Deutschland zuziehen. Bis 2060 werden auf diese Weise 21 Prozent der Kirchenmitglieder verloren gehen. Der größere Mitgliederverlust wird nach Angaben des FFG-Leiters, Prof. Bernd Raffelhüschen, aber auf andere Faktoren zurückgehen: Den Verzicht von Familien auf die Taufe ihrer Kinder oder den Austritt von enttäuschten Mitgliedern. „Das sind Dinge, die beeinflussbar sind“, sagte Raffelhüschen. „Die Kirchen sollten ihre Anstrengungen bei der Suche nach Zusammenhängen, die sie beeinflussen können, intensivieren.“

Viele Austritte zwischen 30 bis 35 Jahren

Die meisten Menschen treten der Studie zufolge im Alter zwischen 30 und 35 Jahren aus der Kirche aus. Das ist das Alter, in dem bei vielen Menschen die Berufstätigkeit beginnt – und in dem auch das erste Mal die Kirchensteuer anfällt. Für diesen, an die Einkommenssteuer gekoppelten Mitgliedsbeitrag der Kirchen, rechnen die Studienautoren aufgrund des parallel ansteigenden Lohnniveaus zwar nicht mit einem nominellen Rückgang, wohl aber mit einem erheblichen Kaufkraftverlust.

Wie 2017 werden die Kirchen auch 2060 noch rund zwölf Milliarden Euro aus der Kirchensteuer erlösen. Die Evangelische Kirche im Rheinland wird ihre Steuereinnahmen sogar von 695 auf 771 Millionen Euro steigern können. Doch um sich die Dinge leisten zu können, die sie heute mit zwölf Milliarden Euro finanzieren, wären dann rund 25 Milliarden erforderlich. Beide großen Kirchen werden in den kommenden Jahren also erhebliche Sparanstrengungen unternehmen müssen.

12 Millionen Euro für "innovative Initiativen"

Der rheinische Präses Manfred Rekowski sagte, dass die Kirche Faktoren wie die Zahl der Taufen durchaus beeinflussen könne. „Wir fühlen uns in unseren Bemühungen bestärkt, Kirche verstärkt in neuen Formen näher zu den Menschen zu bringen“, sagte er. „Denn Kirche ist Kirche, wenn sie bei den Menschen ist.“ So habe die Rheinische Kirche bereits ein zwölf Millionen Euro umfassendes Programm für „innovative Initiativen“ aufgelegt. Davon sollen unter anderem neue Gemeinde- und Gottesdienstformen unterstützt werden. „So wichtig diese innovativen Initiativen für die Zukunft der Kirche auch sind, für nicht weniger bedeutsam erachte ich es, wenn wir das Bewährte gut machen – von der Taufe über die Trauung bis hin zu Bestattung, zur Seelsorge und zum Gottesdienst“, betonte er. Das wirke sich dann auch auf die Entwicklung der Zahlen aus.

Ganz ähnlich äußert sich Heckeley. „In aller Kürze bedeutet das: Die Kirche von Köln muss wieder attraktiver – das heißt überzeugender und für die Menschen anziehender – werden“, sagte Heckeley dieser Zeitung.

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