Zweifel an Athens Rettung werden lauter

BRÜSSEL · Griechenland hat seine Freunde verprellt. Ministerpräsident Lukas Papademos mag sich in diesen Tagen noch so viel Mühe geben, positive Signale auszusenden, ihm glaubt kaum jemand mehr. Am Dienstag sprach er zum wiederholten Mal von "erfolgversprechenden Fortschritten beim Schuldenschnitt".

 Düstere Zeiten: Dunkle Wolken in Athen über dem Tempel des Hephaistos.

Düstere Zeiten: Dunkle Wolken in Athen über dem Tempel des Hephaistos.

Foto: ap

Am Donnerstag tat er kund, die Einigung mit den Bankenvertretern sei "so gut wie sicher". Sein Finanzminister Evangelos Venizelos versuchte sich ebenfalls in Optimismus und kündigte am Mittwoch ein Sondertreffen der Euro-Gruppe für nächste Woche an, um das zweite Hilfspaket über 130 Milliarden abzusegnen.

Bestätigen wollte das in Brüssel niemand. "Uns hilft keine Einigung, die nur ,so gut wie' ist", sagte ein hoher Vertreter der Kommission am Donnerstag. "Wir wollen Fakten und verwirklichte Reformen."

Die aber gibt es nur scheibchenweise. So vergingen beispielsweise mehrere Monate, um dafür zu sorgen, dass auch in Griechenland Renten lediglich unter der Voraussetzung überwiesen werden, dass der Empfänger noch unter den Lebenden weilt. Die Auszahlung von Ruhestandsbezügen an insgesamt 63.500 nachweislich Verstorbene wurde erst jetzt eingestellt. "Das dauert alles viel zu lange", heißt es im Europäischen Parlament. "Den Versprechungen glaubt man nicht mehr."

Die Stimmung ist gekippt. Selbst wenn der Schuldenschnitt in den nächsten Tagen vereinbart werden kann und die europäischen Partner die nächste Tranche über 15 Milliarden freigeben, fragt man sich, wann man wieder vor einer solchen Situation steht.

"Machen wir uns nichts vor: Es geht nicht voran", sagt einer, der an den Verhandlungen mit Athen an vorderster Stelle beteiligt ist. Offiziell bemüht man sich vor allem mit Blick auf die Finanzmärkte, solidarisch Optimismus zu verbreiten. Hinter vorgehaltener Hand aber wird längst eine ganz andere Sicht der Dinge verbreitet: Im Sommer, spätestens im Herbst sei Athen bankrott, heißt es. Erst wolle man den neuen Krisenmechanismus ESM ans Laufen kriegen, dann könne man die Griechen "abwickeln", soll heißen: aus der Euro-Zone drängen.

Denkbar wäre dann eine Art Rückversetzung in den Kandidatenstatus, bis das Land die Aufnahmekriterien (wieder? oder zum ersten Mal?) erfüllt hat. Sogar ein Datum für eine eventuelle Wiederaufnahme kursiert bereits: 2020.

In den Spekulationen und Krisenszenarien der Union scheint Athen tatsächlich bereits abgehakt. Was weitaus mehr Sorge macht, ist der Domino-Effekt, den eine Pleite der Hellenen auslösen könnte.

Der nächste Kandidat steht schon fest: Portugal. Obwohl die Staats- und Regierungschefs mehrfach schriftlich festgehalten haben, dass ein Schuldenschnitt nur für Griechenland infrage kommen soll, dürfte Lissabon ohne Senkung seiner Auslandsschulden nicht mehr zu halten sein. In diesem Jahr wird die Wirtschaftsleistung um bis zu sechs Prozent sinken. Die Auslandsschulden liegen bei 180 Milliarden oder 102 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Auf jeden Portugiesen umgerechnet ergibt das eine der höchsten Schuldenlasten Europas. Dass ein Crash Lissabons an Spanien spurlos vorbeigeht, ist zu bezweifeln.

Meistgelesen
Neueste Artikel
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch „Die Bedrohungslage ist hoch“
Zum Thema
Aus dem Ressort