Germanistin Doris Walch-Paul 72-Jährige lehrt noch immer an der Bonner Uni

BONN · Germanistin Doris Walch-Paul lehrt noch mit 72 Jahren an der Uni. Eigentlich im Ruhestand, lehrt die Spezialistin früher geistlicher Literatur in deutscher Sprache heute gerne weiter; im neuen Semester über Krankheit und Tod in mittelalterlicher.

 Doris Walch-Paul vor der Eingangstür des Wolfgang-Paul-Hörsaals.

Doris Walch-Paul vor der Eingangstür des Wolfgang-Paul-Hörsaals.

Foto: Barbara Frommann

"Sehen Sie", sagt Doris Walch-Paul und streicht über eine der riesigen Eingangstüren des Wolfgang-Paul-Hörsaals am Physikalischen Institut. "Die hat Wolfgang Paul Anfang der sechziger Jahre mit entworfen." Auf dem Portal ist ein wunderbares Geflecht magnetischer Linien zu sehen. Die Leidenschaft ihres berühmten Mannes für die Physik hat also auch diese sichtbaren Spuren hinterlassen. Die jung gebliebene 72-Jährige blickt versonnen zum Hörsaal hin.

Professor Wolfgang Paul war von 1952 bis 1981 Direktor des Physikalischen Instituts der Bonner Universität und von 1979 bis 1989 Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Der Pionier auf dem Gebiet der Teilchenphysik erhielt 1989 für sein Lebenswerk den Physik-Nobelpreis.

Walch-Paul war natürlich mit in Stockholm, als König Karl-Gustav ihren Mann auszeichnete. Ab November ehren Universität und Deutsches Museum ihn posthum mit einem Symposium und einer halbjährigen Ausstellung "Wolfgang Paul - Der Teilchenfänger". "Das hätte meinem Mann gefallen", sagt Walch-Paul.

Neugierig schauen Studenten, die sich hier an der Kreuzbergstraße auf ihre Seminare vorbereiten, zu ihr herüber. "Ich komme immer wieder gerne ins Physikalische Institut. Ich erinnere mich an die kollegiale Arbeitsstimmung und an die schönen Feste, die ich noch mitfeiern konnte", meint Pauls Witwe. Ihren eigenen beruflichen Bereich hat die promovierte Germanistin im Uni-Hauptgebäude in der Innenstadt.

1972 hatte die geborene Schwäbin hier in der älteren Abteilung der Germanistik ihre Traumstelle als Akademische Rätin angetreten. Eigentlich im Ruhestand, lehrt die Spezialistin früher geistlicher Literatur in deutscher Sprache heute gerne weiter; im neuen Semester über Krankheit und Tod in mittelalterlicher Literatur. "Ich habe den Eindruck, ich komme immer noch bei den Studenten an", sagt Walch-Paul. Bringt sie doch nur allzu gerne ihre Begeisterung für die altdeutsche Dichtung auch jenseits des gängigen Literaturkanons, ja fürs Mittelalter an sich herüber.

Gar nichts kann sie da anfangen mit dem Vorurteil von den nur finsteren Zeiten, aber auch nicht mit der ebenso beliebten romantischen Verklärung. "Die Menschen damals hatten ein ganz hartes Leben und haben doch eine hohe Kultur hervorgebracht", sagt sie. Und erzählt von ihrer Faszination für die mittelalterliche Vorstellung der Zeichenhaftigkeit alles Geschaffenen und dessen mehrfacher geistiger Bedeutung. Und dass den damaligen Menschen ihr fester Glaube unumstößliches Fundament des Lebens war.

"Man tut gut daran, sich von der zierlichen Erscheinung und heiteren Ausstrahlung von Frau Walch-Paul nicht täuschen zu lassen. Denn ihre sonst scheinbar unermessliche Freundlichkeit fand immer dann ein jähes Ende, wenn Studierende es wagten, sich unvorbereitet in ihren Seminaren einzufinden", schrieb eine Absolventin 2006 im Internet über sie. "Ja, das dürfte stimmen", entgegnet sie mit einem freundlichen Lachen.

Interessierte sich eigentlich auch ihr Mann, der Physiker, für die Feinheiten alter Dichtung? Walch-Paul lächelt wieder. "Ja, er war immer neugierig, und diese Neugierde hat auch die Gegenstände meiner Arbeit eingeschlossen." In Bonn hatte sie ihn kennengelernt, aber erst nach und nach realisiert, welch internationales Ansehen er besaß. Auch zu seiner 1977 verstorbenen Frau Lieselotte Paul, die Mutter seiner vier Kinder war, hatte sie ein sehr gutes Verhältnis.

"Ich habe die allergrößte Hochachtung für sie, die ihm immer den Rücken stärkte und dann leider die Zeit der Ehrungen nicht mehr erlebte", sagt Walch-Paul, die 1979 Pauls zweite Ehefrau wurde. Seine letzten Jahre begleitete sie ihn - eine glückliche Zeit, auch durch die Begegnungen mit Wissenschaftlern der Alexander-von-Humboldt-Stiftung aus aller Welt und durch die Reisen mit der Stiftung.

Was ihr an ihm am meisten gefiel? "Seine Großzügigkeit, sein Humor, sein Sinn für die Realität und seine Verbundenheit mit der Familie", antwortet die Frau, die Pauls Erbe durch die gleichnamige Vorlesungsreihe an der Bonner Uni, aber auch durch die Stiftung Physik und Astronomie innerhalb der Bürgerstiftung Bonn weiter gewahrt sieht. In der Stiftung engagiert sie sich auch persönlich.

Verstand sie, die Mediävistin, eigentlich etwas von der nach Paul genannten "Ionenfalle"? Ihr Mann sei ein begeisternder Lehrer gewesen, der unglaublich gut erklären konnte, antwortet Walch-Paul. "Er hat mir die Grundzüge erklärt. Und die habe ich auch verstanden."

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