Gnadenloser Wettkampf Düsterer Blick auf die Gesellschaft: "Jugend ohne Gott"

Berlin · Eine Gruppe von Jugendlichen zieht in ein Zeltlager, das wie ein Survival Camp anmutet. Eine Uni will die Besten der Besten auswählen. In dem Film "Jugend ohne Gott" geht es buchstäblich um Leben und Tod.

 Zach (Jannis Niewöhner) und Nadesh (Alicia von Rittberg) im Team als Hoffnungsträger der Leistungselite.

Zach (Jannis Niewöhner) und Nadesh (Alicia von Rittberg) im Team als Hoffnungsträger der Leistungselite.

Foto:  Marc Reimann

Nur Erfolg und Effizienz zählen, Konkurrenz und Klassen bestimmen die Gesellschaft. Die Jugendlichen Zach, Nadesh und Titus gehören bereits zur Elite.

In einem Zelt-Camp sollen sie ihre Fähigkeiten beweisen und möglichst viele Punkte sammeln, um für die Universität ausgewählt zu werden. Ein gnadenloser Wettkampf beginnt. Nacheinander wird der Film aus Sicht der drei Protagonisten erzählt. Eine Schlüsselrolle kommt auch dem Lehrer (Fahri Yardim, "Tatort") zu, der die Dinge zwar durchschaut, aber trotzdem mitmacht und erst am Schluss die Kraft zur Wahrheit findet.

Der Film "Jugend ohne Gott" des Schweizer Regisseurs Alain Gsponer ("Heidi") entwirft eine düstere Vision, zugleich ist er ein Krimi. Am Schluss gibt es einen Funken Hoffnung. Das Werk beruht auf dem gleichnamigen Antikriegsroman von Ödön von Horváth (1901 bis 1938), der Ende der dreißiger Jahre erschien. Die Nationalsozialisten setzten das Buch auf die "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums", es war damit verboten.

Zu Beginn des Zeltlagers, das in einem Wald in den Bergen liegt, wird allen Teilnehmern ein Chip eingepflanzt. Immer wieder schwebt eine Drohne in der Luft und zeichnet alles auf. Ständig werden Körperdaten erhoben, auch die psychische Verfassung wird analysiert. Zach (Jannis Niewöhner, "Saphirblau") kommen Zweifel an der Realität, die ihn umgibt.

Er erkennt, dass die angeblich gleichen Chancen für alle nur leeres Gerede sind und die Welt in Wirklichkeit verlogen und kalt ist. Nach dem Suizid seines Vaters schreibt er seine Gedanken in ein Tagebuch. Nadesh (Alicia von Rittberg, "Charité") verkörpert den Typus der ehrgeizigen, fleißigen und etwas naiv wirkenden Schülerin. Titus (Jannick Schümann, "Mittlere Reife") übernimmt den Part des kalten Technokraten, der für einen Erfolg über Leichen geht.

Die Jugendlichen müssen sich im Orientierungslauf, beim Überqueren eines Gebirgsbaches und beim Klettern an einem Steilhang beweisen. Dabei passiert ein schwerer Unfall, es geht buchstäblich um Leben und Tod. Das erinnert, wenn auch entfernt, an die Fantasy-Saga "Tribute von Panem", in der sich Jungen und Mädchen auf Befehl eines Diktators gegenseitig töten sollen - live übertragen im Fernsehen.

Außerhalb des Camps, das in einer besonderen Zone liegt, leben die sogenannten Illegalen, die von der elitären Gesellschaft ausgeschlossen sind. Die Leiter des Zeltlagers, unter ihnen die Psychologin Loreen (Anna Maria Mühe, "Was nützt die Liebe in Gedanken"), informieren die Jugendlichen über "Kriminelle im Wald", zu denen der Kontakt verboten sei. Ewa (Emilia Schüle, "LenaLove") gehört zu diesen Randexistenzen, sie stehlen Lebensmittel und Kleidung aus dem Camp. Zach begegnet Ewa zufällig, er ist fasziniert von dem anscheinend freien, aber auch prekären Leben. Als Nadesh die beiden entdeckt und überrascht, kommt es zum Showdown, ein Mord geschieht - und plötzlich taucht auch Titus auf.

"Jugend ohne Gott" ist hochkarätig besetzt, die Schauspieler überzeugen, ebenso die Ästhetik. Dem fast zweistündigen Film hätte aber eine gewisse Straffung gut getan, auch ein anderer Titel als der des Romans wäre passender gewesen. Die aufgeworfenen Fragen sind von zeitloser Aktualität: Wer wird in der Gesellschaft akzeptiert, kommt es nur auf Leistung und Erfolg an, was ist wirklich wichtig?

Allzu weit in der Zukunft finde die Geschichte gar nicht statt, sagte Regisseur Gsponer im Presseheft. "(...), aber dort haben wir inzwischen eine ganz klare Verlierer- und Gewinner-Gesellschaft. Der Mittelstand existiert quasi nicht mehr und entweder man schafft es oder man schafft es nicht. Das Herunterfallen ist sehr leicht, das Aufsteigen hingegen sehr schwierig. Das sind durchaus gesellschaftliche Vorgänge, die schon jetzt stattfinden."

Jugend ohne Gott, Deutschland 2017, 114 Min., FSK ab 12, von Alain Gsponer, mit Jannis Niewöhner, Fahri Yardim, Emilia Schüle, Alica von Rittberg, Jannik Schümann

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