Kommentar Flugzeugkatastrophe - Offene Fragen

Wir wissen nichts über die Motive des Copiloten, die Tür zum Cockpit zu schließen und sein Flugzeug mit 149 Menschen in die Katastrophe zu steuern. Wir haben ein paar Informationen über seinen Wohnort, seinen schulischen und beruflichen Werdegang und seinen familiären Hintergrund.

Eine schnelle und einfache Antwort auf die drängende Frage nach dem Warum wird es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht geben. Das ist für eine Öffentlichkeit, die gerne alles wissen will, kaum zu ertragen. Doch leider hilft die Anfrage bei Google hier nicht weiter. Niemand kann sagen, was in dem Mann vorging, als er allein im Cockpit saß.

Die Suche nach Antworten setzt die Medien unter Druck. Wie sollen sie Sendezeiten füllen, Bilderstrecken bestücken und im Stundentakt immer neue Nachrichten anbieten? Wer auch immer etwas sagen möchte und auch nur den Anschein von Kompetenz erweckt, wird befragt und gibt freimütig Antworten, ganz gleich, ob die der Information dienlich sind oder einfach nur den großen leeren Raum voller offener Fragen füllen helfen. Der Spekulation wird Tür und Tor geöffnet. Es wird herumpsychologisiert und aus einem äußerst lückenhaften Kenntnisstand ein ganzer Kosmos von Erklärungen angeboten. Und dann wundern sich Journalisten, dass die Verschwörungstheorien blühen und Leser von der Lügenpresse reden.

Es lohnt sich vor dem Hintergrund der Erkenntnisse von heute noch einmal Revue passieren zu lassen, was es an Mutmaßungen über Schadstoffe in der Kabinenluft, das Alter des Flugzeugs, oder die grundsätzliche Zuverlässigkeit von Billig-Airlines gab. Diese Aussagen sind gerade 24 Stunden alt und doch vollkommen überholt; lächerlich und bizarr zum Teil, was Experten da im Brustton der eigenen Bedeutung sagten. Wer ein wenig über diese erschütternd kurze Halbwertzeit nachdenkt, gewinnt einen Maßstab für viele Informationen, die heute auf ihn einprasseln.

Da ist das, was Germanwings und die Lufthansa in dieser schrecklichen Situation tun, sehr ehrenwert. Sie folgen der Tugend, nur über das zu reden, was sie wirklich wissen. Sie spekulieren nicht und sie brechen nicht den Stab über Menschen, deren Motive sie nicht kennen. Ganz klar ist ihr Bemühen, Angehörige zu schützen. Denn auch ein Copilot, der seine Fluggäste in den Tod gerissen hat, hat eine Familie.

Die Tat ist unerklärlich. Sie ist so schwer zu verstehen, weil es keine erkennbare Beziehung zwischen Opfern und Täter gibt. Es macht hilflos, wenn ein Mann ein Sicherungssystem ausnutzt, das Anschläge eigentlich verhindern sollte. Wie viele solcher Systeme sind am Ende nötig, um ein Flugzeug absolut gegen Gefahren abzusichern? Die Antwort ist schlicht. Es gibt keine absolute Sicherheit. Solange es Flugzeuge gibt, wird es immer Möglichkeiten geben, sie als Waffe einzusetzen. Diese Möglichkeiten so gering wie möglich zu halten, ist jede Mühe wert. Viel wichtiger sind jedoch die Menschen, die diese Flugzeuge lenken. Sie tragen eine hohe Verantwortung. Es wird Zeit brauchen, das erschütterte Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Piloten wieder aufzubauen. Auch das ist jede Mühe wert. Denn ohne Vertrauen wird es nicht gehen. Wie gesagt: Wir wissen meistens nur sehr wenig über unsere Mitmenschen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Nicht ohne Nachteil
Kommentar zur Wahlrechtsreform Nicht ohne Nachteil
Zum Thema
Aus dem Ressort