Die Annexion der Krim Moskaus James Bond ist wieder da

Wladimir Putin ist in Plauderlaune. "Ich bin sicher, wenn wir es nicht getan hätten, die Ereignisse in der Krim hätten sich ähnlich entwickelt wie im Donbass. Vielleicht gar noch schlimmer", Putin räuspert sich kurz.

"Obwohl, mir scheint, nichts kann schlimmer und tragischer sein, als das, was jetzt in Lugansk und Donezk geschieht." Sein Blick bleibt gelassen.

Jetzt zeigte der staatliche TV-Sender Rossija 1 den Dokumentarfilm "Krim - Der Weg nach Russland". 144 aufwendig gedrehte Minuten, deren Held Wladimir Putin heißt. Der Film wurde groß angekündigt, schon vergangene Woche flitzten Putin-Zitate über die Nachrichtenagenturen, dann wurde der Sendetermin überraschend von Montag auf Sonntag vorverlegt. Da diskutierte das politische Moskau noch heftig über das Schicksal des seit dem 5. März untergetauchten russischen Präsidenten. Grippe? Rückenprobleme? Palastrevolte? Facelifting?

Putin wirkt wie immer in Hochform. Er sitzt breitbeinig im Ledersessel seines in Edelholz und Gold gehaltenen Kabinetts, ab und zu lockert ein Lächeln seine straffe Mimik, seine Worte unterstreicht er mit lakonischen Gesten, das schlichte Zifferblatt einer 1000 Euro-Taucheruhr schimmert auf. Russlands James Bond.

Der Starreporter Andrei Kondraschow lauscht Putins Erzählung andächtig. Darüber, wie Russland - und damit meint inzwischen auch Putin vor allem sich selbst - erst das Leben des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch rettete, dann auf der Krim eine geheime Meinungsumfrage abhielt, die ergab, dass 75 Prozent der Krimbewohner zu Russland wollten. Wie Putin nach durchwachter Nacht die Chefs der Sicherheitsorgane anwies, die Rückholung der Krim vorzubereiten, um die russischsprachige Menschen dort vor der Mordgier der ukrainischen Putschisten zu retten.

Dazwischen fast nur nächtliche, fast nur gestellte Szenen aus der Ukraine, ausschließlich Szenen der Gewalt: gegen wackere Krim-Elitepolizisten auf dem Maidan in Kiew, gegen friedliche Janukowitsch-Unterstützer, deren Busse vom revolutionären Mob am 21. Februar auf der Heimfahrt auf die Krim gestoppt werden. Erst werden Busfahrer erschossen, dann die Busse angezündet, "Frauen und Halbwüchsige" von Nazis mit Schäferhunden über Felder gehetzt und zu Tode geprügelt. "Sie zwangen uns, Glas zu essen", schimpft ein Zeuge. Insgesamt hätten die "Faschisten" sieben Krimbewohner ermordet.

Tatsächlich berichteten anfangs nur ukrainische Medien über die Gewalttätigkeiten bei Korsun-Schewtschenowski. Der Kanal 112.ua zitierte Anfang März eines der Opfer, eine junge Frau aus Simferopol, die Maidan-Kämpfer hätten vor allem junge Männer verprügelt und alle gezwungen, die ukrainische Nationalhymne zu singen, einer wurde von einem Auto angefahren.

Schlimm, aber Schlimmeres weiß sie nicht zu berichten. Erst im Mai drehte das russische Fernsehen den ersten Film über Mord und Totschlag bei Korsun. Die Namen der angeblichen Opfer aber verschweigen die russischen Fernsehmacher auch jetzt.

Dann wird erneut die Blutgier der ukrainischen "Bandera-Faschisten" beschworen, immer wieder scheitern ihre Versuche, auf der Krim ein Blutbad anzurichten; an der wuchtigen Abschreckung der Landwehr, den Motorradrockern, herbeigeeilten russischen Kosaken, letztlich an den überall aufmarschierenden russischen Streitkräften.

Bis hin zu den supermodernen Bastion-Küstenabwehrraketen, die Putin persönlich ans Schwarze Meer befehligt. Und deren reine Anwesenheit den heranrauschenden US-Flugzeugträger Donald Cook in panische Flucht treibt. Kein Dokumentarfilm, ein Propagandafilm, eine seiner Kernbotschaften: Die Wiedervereinigung der Krim war vor allem ein brillanter militärischer Sieg der zu neuer Weltmachtstärke auferstandenen russischen Armee.

Und natürlich ihres Oberbefehlshabers Wladimir Putin. "Wissen Sie, was unsere Überlegenheit ausmachte? Dass ich persönlich mich darum gekümmert habe", bekennt er ohne falsche Bescheidenheit. "Nicht weil ich alles richtig mache, sondern weil, wenn die Staatsführer persönlich eingreifen, es den Ausführenden leichter fällt, zu arbeiten."

Kein Wort über die gebrochenen internationalen Verträge. Putin präsentiert sich stolz als Oberkrieger, wenn nötig als Weltkrieger. Er sei damals bereit gewesen, die Atomstreitkräfte in Kampfbereitschaft zu versetzen, das habe er auch die westlichen Kollegen wissen lassen: "Ich habe ihnen direkt gesagt, völlig offen, dass das unser historisches Gebiet ist, dass hier russische Menschen leben", jetzt redet Putin offenbar vor allem mit Barack Obama: "Und wo befindet ihr euch? Tausende Kilometer weg. Aber wir sind hier. Das ist unsere Erde. Worum wollt ihr kämpfen? Ihr wisst es nicht? Aber wir wissen es. Und wir sind bereit dazu."

Putin winkt mit der Atomrakete, er markiert sein Revier auf eine Art, die auch in Moskau für Unruhe sorgt.

Passend zum Film präsentierte sich Wladimir Putin gestern auch in Echtzeit wieder grinsend der Öffentlichkeit. "Ohne Tratsch wird es langweilig", spottete er über alle Gerüchte. Dass er in Form ist, bewies der Staatschef schon am Morgen: Er befahl, die Nordmeerflotte Russlands zu einem Alarmmanöver in volle Kampfbereitschaft zu versetzen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort