Kommentar Der erste Wahlgang in Frankreich - Auf zum Duell

PARIS · Ab heute wird der französische Zehner-Kampf zum Duell: Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen geht es um das Ganze in Form des Chefsessels im Élysée-Palast. Und kämpften die Favoriten, Nicolas Sarkozy und François Hollande, auch um den ersten Platz, so war doch vor allem entscheidend, das Stechen der zweiten Runde überhaupt erreicht zu haben.

Ohne die "kleinen" Kandidaten, aber eben auch ohne die starken Bewerber von Links- und Rechtsaußen, Jean-Luc Mélenchon und Marine Le Pen. Zwar war die Wahlbeteiligung höher als im Vorfeld befürchtet - doch die trübe Stimmung bei diesem Wahlkampf weckte Erinnerungen an den 21. April 2002. Damals hatte die mangelnde Mobilisierung linker Wähler bei der ersten Runde der Wahlen den Kandidaten des rechtsnationalen Front National, Jean-Marie Le Pen, als Stimme des Protests in die Stichwahl gespült und ein Gefühl der Schande zurückgelassen, das Frankreich bis heute verfolgt.

Auch wenn Le Pens Tochter geschickter vorgeht und die Partei gesellschaftsfähig gemacht hat, sind ihre xenophoben Ansichten bekannt - von ihrem Vater hebt sie sich vor allem in der Form ab. Sie profitiert wie auch der überraschende Medien- und Publikumsliebling Mélenchon von dem Gefühl vieler Bürger, das politische System Frankreichs sei überkommen und biete keine überzeugenden Alternativen - die Wahl wird so zum Warnschuss an die Etablierten.

Befreit von der Sorge, ihre Forderungen je in die Realität umsetzen zu müssen, die Frankreich nicht nur wirtschaftlich tief in den Ruin treiben würden, konnten Mélenchon und Le Pen mit ihren Extrempositionen Schwerpunkte setzen und die Kampagnen der Favoriten thematisch lenken. Auch weil sie sich mit eigenen Akzenten kaum durchsetzen konnten: Sarkozy kämpfte, wie er regiert hat - im Zickzack. Und Hollande so, wie Gegner seinen Regierungsstil befürchten, sollte er tatsächlich gewählt werden: auf unverantwortliche Weise schwammig-vorsichtig.

Auch nach dem Ausscheiden der beiden "Enfants terribles" Le Pen und Mélenchon werden Sarkozy wie Hollande weiterhin Rücksicht nehmen müssen, um deren gewaltiges Wählerpotential einzusammeln und zugleich um die Mitte werben - ein sportlicher Akt. Wobei Hollande sicherer auf Mélenchons Anhänger und die wenigen verbliebenen Grünen-Wähler zählen kann, als Sarkozy auf Le Pens Gefolgschaft. Denn diese will ihm eine Lektion erteilen und ihren Vater rächen, den Sarkozy 2007 abgedrängt hatte, indem er auf Themen wie Einwanderung und innere Sicherheit setzte. Gerade im Zuge der Attentate von Toulouse verfolgte er dieselbe Strategie. Ohne Erfolg.

Stattdessen steigt der Druck, sich endlich auf die eigentlich drängenden Probleme Frankreichs zu besinnen: die Staatsverschuldung, die Arbeitslosigkeit, die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der weit verbreiteten Ablehnung Sarkozys zum einen und der Skepsis über einen entscheidungsschwachen Hollande zum anderen ist die Wahl eine Abstimmung für das kleinere Übel. Es bleiben zwei Wochen, sie noch in eine Wahl des Aufbruchs zu verwandeln.

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