Grüne suchen Spitzenkandidaten Leerstelle Sicherheit

Berlin · Die Grünen stehen bei ihrer Kandidatenwahl unter gewaltigem Druck. Die Debatte wird bestimmt von der Antiterror-Politik.

 Schaulaufen für die Urwahl der grünen Spitzenkandidaten: Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt (v.l.n.r.), Schleswig-Holsteins Vize-Ministerpräsident Robert Habeck, Bundesvorsitzender Cem Özdemir und Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter beim Urwahlforum am Samstag. FOTO: DPA

Schaulaufen für die Urwahl der grünen Spitzenkandidaten: Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt (v.l.n.r.), Schleswig-Holsteins Vize-Ministerpräsident Robert Habeck, Bundesvorsitzender Cem Özdemir und Fraktionsvorsitzender Anton Hofreiter beim Urwahlforum am Samstag. FOTO: DPA

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Eines ist nach dem letzten „Vortanzen“ der grünen Bewerber um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl und vor den Jahresauftaktklausuren von Bundesvorstand und Bundestagsfraktion klar geworden: Die empfindliche Leerstelle bei Sicherheitspolitik und Schutz vor Terrorismus, die die unglücklichen Einlassungen von Parteichefin Simone Peter nach Silvester ins Zentrum der Aufmerksamkeit katapultiert hat, wollen alle führenden Grünen schließen.

Egal ob Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (die den Posten als Spitzenkandidatin mangels Konkurrenz sicher hat) oder ihr Fraktionskollege Anton Hofreiter, ob der Parteichef Cem Özdemir oder der Kieler Umweltminister Robert Habeck: Alle betonen mit leicht unterschiedlichen Nuancen, dass nicht nur Bürgerrechte und Minderheitenschutz, sondern auch Sicherheit den Grünen wichtig ist.

Özdemir spricht wegen der Peter’schen Äußerungen von einem „Kaltstart“ ins Wahljahr. Hofreiter wünscht sich, dass „nicht jeder jedes Zeugs in jede Kamera reden würde“. Und wenn Habeck scharf kritisiert, dass die Grünen dank eigenem Versagen und wegen der zerstrittenen Führung in den letzten Monaten in den Umfragen vier Prozentpunkte verloren haben, dann macht er damit nicht nur die Parteiführung im Kollektiv, sondern eben auch die Parteichefin verantwortlich.

„Wenn der Eindruck entsteht, dass wir im Zweifel eher die Täter vor Kontrollen schützen als Frauen vor Übergriffen, wird uns das viele Stimmen kosten“, hat der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer seiner Partei via „Bild“-Interview für den Bundestagswahlkampf zuletzt noch einmal ins Stammbuch geschrieben. Damit eckt Palmer zwar bei vielen Politikern in seiner traditionell polizei-kritischen Partei an. Aber zu seiner Analyse in Bezug auf die Wähler gibt es keinen Widerspruch.

Alle vier Urwahlkandidaten setzen das Thema Sicherheit von sich aus und schlagen neue Töne an. Außerdem hat der Bundesvorstand die Innere Sicherheit kurzfristig als zweites Schwerpunktthema neben der Mobilität der Zukunft auf die Tagesordnung seiner an diesem Montag beginnenden Klausur gesetzt. Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir bezeichnen Sicherheit und Freiheit als zwei Seiten einer Medaille. Göring Eckardt stuft gerade die Notwendigkeit, dass Frauen sich im öffentlichen Raum sicher bewegen können, als Teil der „urgrünen Agenda“ ein. Özdemir betont, dass die Sicherheit vor rechtsradikalem Terror den Grünen immer wichtig war und warnt, dass, wer Freiheit zugunsten der Sicherheit opfere, am Ende beides verlieren werde.

Anton Hofreiter schlägt die Brücke zwischen Innerer und sozialer Sicherheit und betont, dass Bürgerrechte und Sicherheit nicht im Widerspruch zueinander stünden. Allerdings zeigt Hofreiter beim Urwahlforum am meisten Skepsis gegenüber konkreten Veränderungen von der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung bis zur Ausweitung der Videoüberwachung. Hofreiter betonte, dass es niemandem nütze, wenn ohne konkreten Anlass noch mehr Daten der Bürger gespeichert werden, solange Gefährder wie der Berliner Attentäter Anis Amri zwar polizeibekannt sind, aber trotzdem nicht rechtzeitig verhaftet werden.

Die Videoüberwachung greift in Hofreiters Augen zu kurz, weil sie bei der Verfolgung von Straftaten hilft, nicht aber bei deren Verhinderung. Das sehen Göring-Eckardt, Özdemir und Habeck anders. Alle sprechen sich für mehr Kameras an Kriminalitätsschwerpunkten aus, schon weil man, wie Habeck herausstellt, mehr Polizisten erst ausbilden muss, bevor man sie einstellen kann.

Alle vier Urwahlkandidaten setzten sich in Berlin dafür ein, mehr Polizeistellen zu schaffen. Darüber hinaus ist die konkrete Richtung der grünen Sicherheitspolitik noch nicht so genau erkennbar.

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