Gisela Piltz: "Es muss nachgebessert werden"

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz äußert sich im GA-Interview zu den Datenschutz-Vorschlägen aus Brüssel. Aus Verbrauchersicht gehe der EU-Datenschutzvorschlag in die richtige Richtung, meint die Gisela Piltz.

EU-Kommissarin Reding sagt, die hohen deutschen Datenschutzstandards würden praktisch mit ihren Vorschlägen auf ganz Europa übertragen. Inwiefern zieht der deutsche Verbraucher Vorteile aus der EU-Reform?
Piltz: Die Vorschläge bilden das hierzulande geltende Datenschutzniveau nur teilweise ab. Wenn etwa Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten erst ab 250 Beschäftigten benennen müssen, stellt dies einen deutlichen Rückschritt zu deutschen Standards dar. Im Übrigen geht es nicht allein um hohe Standards, sondern um verständliche, im Notfall einfach durchsetzbare Regelungen. Hier geht der Entwurf aus Sicht des Verbrauchers in die richtige Richtung.

Sehen Sie die Gefahr gebannt, dass das deutsche Datenschutzniveau abgesenkt wird?'
Piltz: Die vorgestellten Entwürfe bilden einen Zwischenstand ab. Deutschland ist gut beraten, sich weiter aktiv in die Diskussion in Brüssel einzubringen, um einem Absinken des Schutzniveaus vorzubeugen.

Ist die Balance zwischen Datenschutz auf der einen und Meinungsfreiheits- und Kommunikationsrechten auf der anderen Seite gewahrt?
Piltz: An dieser Stelle erscheint mir der Entwurf als nicht ausgewogen genug. Bliebe es bei der jetzigen Fassung, würden künftig auch private Äußerungen im Internet, etwa in Blogs, einer datenschutzrechtlichen Kontrolle unterworfen. Eine solche Sichtweise würde die Rolle des Internets als freiheitliches Informations- und Kommunikationsmedium völlig verkennen. Hier muss in jedem Fall nachgebessert werden.

Ist sichergestellt, dass die neuen Datenschutzregeln auch für nicht-europäische Unternehmen gelten, wenn sie Kunden in Europa haben?
Piltz: Die Intention, auch solche Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, ist richtig. Wenn sich alle an dieselben Spielregeln zu halten haben, können schlechte Datenschutzstandards nicht mehr als Wettbewerbsvorteil missbraucht werden.

Wie praktikabel sind die neuen Bestimmungen? Die Piratenpartei bezeichnet die Vorschläge als naiv, weil es beispielsweise technisch gar nicht möglich sei, Daten auf Kundenwunsch innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Es gebe immer Sicherheitskopien, die gerade zum Schutz vor einem Überschreiben maschinell nicht zugänglich seien.
Piltz: Ob gesetzliche Vorgaben praktikabel sind, zeigt sich regelmäßig erst nach Umsetzung in der Praxis. Bei der ein oder anderen technikbasierten Vorgabe der Verordnung habe auch ich meine Zweifel, ob der richtige Weg eingeschlagen wurde. Allerdings sollten gerade Vertreter der Piratenpartei wissen, dass auch dezentrale Backup-Datenbanken über technisch-organisatorische Maßnahmen problemlos in laufende Datenverarbeitungsprozesse eingebunden werden können.

Wie realistisch ist es, dass die Unternehmen dank der neuen Verordnung tatsächlich Kosten sparen? Reding spricht von 2,3 Milliarden Euro Einsparungen.
Piltz: Nach erster Durchsicht der Vorschläge wage ich nicht einzuschätzen, ob eine Kostenreduzierung in diesem Umfang erreichbar ist. Dass sich Unternehmen nicht mehr an im Zweifel 27 unterschiedliche Rechtsordnungen halten müssen, ist sicher von Vorteil. Fakt ist aber, dass auch die Beachtung harmonisierter gesetzlicher Anforderungen nicht zum Nulltarif geleistet werden kann. Entscheidender erscheint mir ohnehin der mögliche Gewinn, den Unternehmen über die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften künftig erzielen können.

Könnten Unternehmen auch aus Europa abziehen, weil die Datenschutzauflagen zu hoch sind?
Piltz: Da die Verordnung gerade auch solche Unternehmen in den Fokus nimmt, die ihren Sitz nicht in der EU haben, sollte der Anreiz zu solchen fragwürdigen unternehmerischen Entscheidungen weiter abnehmen. Ganz davon abgesehen erkennen Unternehmen zunehmend den Vorteil eines sorgsamen Umgangs mit den Daten ihrer Kunden und sollten insoweit gar kein Interesse an einem nachweislich schwachen Datenschutzumfeld haben.

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