Energiewende in der Region Energie und Architektur - Bauen bei Alanus

ALFTER · Wie bunte Lego-Häuschen - nur dass sie hauptsächlich aus Holz gebaut sind - reihen sich die Ateliergebäude und Werkstätten der Alanus Hochschule entlang der Bonn-Brühler-Straße vor Bornheim auf. Der Campus II fällt schon von Weitem durch seine Architektur auf.

Modelle für die Zukunft: Im vierten Semester lernen die Architektur-Studenten unter anderem, wie man seine Ideen räumlich umsetzt.

Modelle für die Zukunft: Im vierten Semester lernen die Architektur-Studenten unter anderem, wie man seine Ideen räumlich umsetzt.

Foto: Horst Müller

Das letzte bunte Häuschen von Bonn aus gesehen, das mit der blauen Tür, ist das Ideenlabor der Architekturstudenten. An Tischen sitzen sie, bauen Modelle, brüten über Bauprozessen und architektonischen Problemen. Hier entstehen Szenarien wie die Fallstudie von Anna Marchenko, die sich Außenbereiche, sogenannte Schlafstädte der ukrainischen Stadt Dnipropetrowsk, zum Thema für eine Analyse gewählt hat. Neue Wege, neue Nutzungen, Sport, Spiel, Unterhaltung, ein ökologisierter Außenraum und natürlich ein völlig neues Energiekonzept - wo einst sozialistische Tristesse herrschte. Es ging der Studentin in ihrer Master-Arbeit um die Frage der Identität, um Freiräume, auch geistige.

Bachelor-Studenten von Alanus mussten sich mit einer Siedlung aus 50er- und 60er-Jahre-Häusern am Ende ihres Nutzungszyklus in Werdohl Ütterlingsen im Kreis Arnsberg nordöstlich von Köln befassen. Neue Quantitäten und Qualitäten waren gefragt: Es ging um Auflockerung der gebauten Struktur, um flexible Wohntypen für mehrere Generationen - und es ging auch um Dämmung, um die Umwandlung eines alten Hochhauses durch Photovoltaik-Elemente an der Südseite zum "Solar High Rise". Es ging und geht um Energie.

Das allerdings in einem weit größeren Kontext, als sich mancher vorstellen kann. Das Thema energiesparendes Bauen sei eigentlich ein alter Hut, sagt Swen Geiss, Professor bei Alanus: "Es gibt kein öffentliches Bauvorhaben, wo das nicht zur Sprache kommt." Politik und Öffentlichkeit seien sensibilisiert, und in den Hochschulen habe man schon früh reagiert. "In der Lehre ist das Thema energiesparendes Bauen gesetzt durch Inhalte, Forschung und Praxis - wir haben fast 30 Jahre Erfahrung damit." Seit der Ölkrise 1973 stehe das Thema auf der Agenda, gerade auch in den Lehrplänen der Hochschulen. Und heute sei, so Geiss, die Technik so weit, dass fast jeder sie einsetzen könne. Niedrigenergiehaus und Passivhaus sind längst keine Fremdworte mehr.

Energiesparendes Bauen ist streng genommen also kein Zukunfts-, sondern ein breit gestreutes Gegenwartsthema. Anders verhält es sich mit dem ressourcenschonenden und ökologischen Bauen: Diese Ansätze werden in Hochschulen wie Alanus zwar schon seit Jahren bearbeitet und weiterentwickelt, in die Öffentlichkeit gelangen sie aber eher selten. Sollten sie aber: Von der Architektur werden zunehmend Antworten auf viele brennende Zukunftsfragen erwartet, ob es sich nun um soziale, ökologische oder energiepolitische Felder handelt.

"Welche Wirkungen haben Siedlungen auf die Natur? Mit welchen Baustoffen arbeiten wir? Das sind Fragen des ökologischen Bauens", erklärt Geiss. "Das ressourcenschonende und nachhaltige Bauen geht weit über das energiesparende Bauen hinaus, da geht es um Effizienz, um Fragen wie: Haben wir Potenziale für Wasser-, Wind- oder Sonnenenergie?" Zu den ersten Fragen, die Studenten bei Bauprojekten stellen, zählen, so der Professor, "Wie belüfte ich das, wie heize ich?". Fragen an die Haustechnik sind das, die die Studenten nicht en détail beantworten müssen, "aber sie müssen die Zusammenhänge kennen". Ein Projekt ist ein komplexes Gebilde aus städtebaulichen Fragen, Bau-, Gebäude- und haustechnischer Planung.

Geiss verlangt den "ganzheitlichen Blick" und kommt auf Alanus zu sprechen: "Das ist genau unser Ansatz". Schon im Bachelor-Studiengang wird das probiert, beim Master dann verfeinert. "Bei uns wird Architektur nicht als rein technisches Fach, sondern im Kontext der Künste gelehrt, und wir fragen auch nach der Rolle der Architektur in der Gesellschaft."

Dazu gehört das Angebot, das das eigentliche Architekturstudium begleitet: Von Philosophie bis Musik und Kompositionslehre, von Eurythmie und Schauspiel bis Ethik reichen die Felder, auf denen die Studenten ihren Horizont erweitern können.

Nachhaltiges Bauen und Ästhetik, geht das zusammen? Geiss: "Ja, ich glaube schon. Das ist eine spannende Aufgabe in diesem Beruf." Es gehe immer um Werkstoffe, ihre eigene Ästhetik und den künstlerischen Umgang damit. Beton sei früher so eine Herausforderung gewesen, erzählt Geiss. Und jetzt Solaranlagen: Da stelle sich die Frage, ob diese als technische Applikation gesehen würden oder sich der Architektur anpassten, "mit ihr sprechen". Mit einem steigenden Anteil des nachwachsenden Rohstoffs Holz beim Hausbau werde sich auch die Ästhetik wandeln. "Was ist ein Haus?", diese Frage müsse man sich immer neu stellen, "sie ist spannend", und: "Ist ein Haus eine soziale Plastik?", "Ist es ein Kraftwerk?"

Bei der Organisation eines Quartiers spielt eine Rolle, wie die Funktionen arrangiert werden, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen - Wohnen und Arbeiten näher zusammenbringen. Bei Gewerbegebieten können die, die Kälte brauchen, neben jenen, die Wärme brauchen, angesiedelt werden. Mit den Studenten spricht Geiss auch über die "Graue Energie": "Womit bauen wir? Wie viel Energie verbraucht ein Gebäude, bis es steht? Wie viel verbrauchen Reparaturen, und was ist mit der Entsorgung am Ende?" Solche komplexen Lebenszyklenanalysen kommen bei Alanus auf die Master-Studenten zu. Im Bachelor-Studiengang werden dagegen die zukünftigen Architekten mit Grundlagen ressourcenschonenden Bauens konfrontiert.

Visionär, Macher, Experte? Was muss der Alanus-Absolvent können, wie sieht sein Berufsbild aus? "Der Architekt ist einer, der eher als Moderator im Bauprozess operiert, der Wissen aus ganz verschiedenen Bereichen haben muss - einer, der zusammenführt."

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