Annas Pflegeeltern ab 24. Januar vor Gericht

Bad Honnef · An neun Prozesstagen will das Bonner Schwurgericht Annas Martyrium und Tod klären. Das Verfahren gegen zwei Ärztinnen, die unrichtige Atteste zu Annas angeblicher Wasserphobie ausstellten, wurde inzwischen eingestellt.

In diesem Monat wäre Anna zehn Jahre alt geworden. Am 22. Juli 2010 starb das Mädchen bei seinen Pflegeeltern in Bad Honnef einen qualvollen Tod, nachdem es wieder einmal "aus Erziehungsgründen" in der Badewanne unter Wasser gedrückt worden war.

Am 24. Januar beginnt vor dem Bonner Schwurgericht der Prozess gegen die Pflegeeltern, bei denen Anna vom Jugendamt Königswinter untergebracht war.

Neun Verhandlungstage bis zum 28. März hat das Schwurgericht bisher für die strafrechtliche Aufarbeitung eines Falles vorgesehen, der bundesweit für Entsetzen sorgte und die Arbeit der Jugendämter Königswinter und Bad Honnef auf den Prüfstand stellte. Gegen beide ermittelt nach wie vor die Staatsanwaltschaft.

Es war ein unfassbares Martyrium, das bei Bekanntgabe der Anklage gegen die 49 Jahre alten Pflegeeltern offenbar wurde: Demnach wurde das Kind seit August 2009 elf Mal mit spitzen Gegenständen wie Kugelschreibern, Nagelfeilen und Nägeln gestochen, drei Mal wurden ihm ein bis eineinhalb Tage Essen oder Trinken verboten, es durfte dann nur ein Glas Wasser am Tag trinken.

Vier Mal wurde Anna an Händen und Füßen gefesselt, einmal habe sich die sehr korpulente Pflegemutter dabei auf das Mädchen gestellt. Und 20 Mal wurde Anna in der Badewanne unter Wasser gedrückt, in 18 Fällen von der Pflegemutter, in zwei Fällen vom Pflegevater. 15 Mal kotete das Kind in der Wanne ein - und musste die Exkremente auf Befehl der Pflegemutter essen.

Warum das Kind so grausam misshandelt wurde, konnten die Ermittler nicht klären. Am 22. Juli wurde Anna wieder einmal laut Anklage von der Pflegemutter unter Wasser gedrückt. Als sie blau anlief, schritt der Pflegevater ein. Es war zu spät.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar, das seit Juli in U-Haft sitzt, schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen in 55 Fällen vor, im letzten Fall mit Todesfolge. Die Strafandrohung: bis zu 15 Jahre Haft.

Was die beiden Angeklagten dazu trieb, das ihnen anvertraute Kind so zu quälen, wird nun das Schwurgericht in einem selten umfangreichen Verfahren zu klären haben. 33 Zeugen hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage aufgelistet, darunter Annas Lehrer, Ärzte, Jugendamt-Mitarbeiter und Nachbarn. Ein Rechtsmediziner und zwei Psychiater werden ebenfalls bei der Wahrheitsfindung gebraucht.

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen zwei Ärztinnen, die der Pflegemutter nur auf deren Angaben hin unrichtige Atteste zu Annas angeblicher Wasserphobie ausstellten, eingestellt: Es sei ihnen nicht nachzuweisen, so die Staatsanwaltschaft, dass sie wider besseres Wissen gehandelt hätten.

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