Champions League Der Ärmelhochkrempler aus Buenos Aires

Bonn · Diego Simeone will mit Atlético Madrid erneut ins Finale. Leverkusen wird ihn am Mittwoch nicht aufhalten.

 So kennt man ihn: An der Seitenlinie versprüht Diego Simeone den Charme eines Kampfhundes. Aber der Argentinier kann auch lachen. FOTO: AP

So kennt man ihn: An der Seitenlinie versprüht Diego Simeone den Charme eines Kampfhundes. Aber der Argentinier kann auch lachen. FOTO: AP

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Man hat viel gehört über diesen Diego Simeone, aber wer hat ihm schon einmal zugehört hier in Deutschland? Allenfalls sieht man ihn im Fernsehen, wenn er an einem Champions-League-Abend wieder wild mit den Armen herumfuchtelt an der Seitenlinie. Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, schwarze Krawatte, schwarze Schuhe, schwarze Haare. Ein Gesicht wie aus Granit gemeißelt, grimmiger Blick. Typ Mafia-Geldeintreiber, mittlere Laufbahn vielleicht. Man denkt dann, dass es keine gute Idee ist, der Mafia Geld zu schulden.

Vielleicht denkt man auch, dass es keine gute Idee ist, unter Simeone Spieler zu sein. Aber wahrscheinlich denken die Fußballer von Atlético Madrid anders. Der Argentinier hat sie nicht unbedingt alle zu besseren Individualisten gemacht. Doch als Mannschaft sind sie mehr als die Summe ihrer Teile. Am Mittwochabend (20.45 Uhr, ZDF) empfangen die Madrilenen Bayer Leverkusen und werden nach ihrem 4:2-Erfolg im Hinspiel so sicher ins Champions-League-Viertelfinale einziehen wie Simeone wieder einen schwarzen Anzug tragen wird.

Wie also hört es sich an, wenn Diego Simeone spricht? Auf jeden nicht wie Diego Simeone. Wer diesem Gesicht eine Stimme zuordnen müsste, würde wohl an Rasierklingen und Whisky denken. Tatsache aber ist, dass der Trainer mit der sanften und ruhigen Stimme eines Psychologen spricht. Und vielleicht ist er das nicht weniger als Fußballlehrer.

Vor drei Wochen in Leverkusen, kurz vor Mitternacht: Sehr ruhig seziert Simeone den Hinspielerfolg seiner Mannschaft. Spricht von einer „fast perfekten ersten Halbzeit“, von „Glaube“, „Überzeugung“ und von der Gefahr, die nach wie vor von Leverkusen ausgehe. Die Hände liegen dabei auf den Oberschenkeln. Nicht ein einziges Mal unterstreicht er seine Worte mit einer Geste. Plötzlich lacht er sogar. Okay, er hat gerade gewonnen, aber dieser Auftritt will nicht passen zu dem Bild, das man von ihm hat.

Der 46-Jährige kam vor gut fünf Jahren zu Atlético, vielmehr kam er zurück. Schon als Spieler hatte er bei dem Madrider Arbeiterverein unter Vertrag gestanden – und Eindruck hinterlassen. Als harter Arbeiter im Mittelfeld, beinahe mehr noch als Führungsfigur. Der Ärmelhochkrempler aus Buenos Aires und der Club im Schatten Reals schienen füreinander gemacht. Als Simeone dann als Trainer unterschrieb, sagte er: „Ich wusste immer, dass ich eines Tages zurückkehre.“

Atlético ging es damals nicht gut. Die großen Zeiten mit der Finalniederlage im Europapokal der Landesmeister gegen den FC Bayern (1974) oder dem Double 1996 lagen lange zurück. In der Primera Division taumelte die Mannschaft um Platz zehn herum und einer ungewissen Zukunft entgegen. Unter Simeone änderte sich das rasant.

Nach einer durchwachsenen und irgendwie unsteten Trainerkarriere mit sechs Stationen in fünf Jahren war er endlich am richtigen Ort. Gewinn der Europa League 2012, spanischer Pokalsieger 2013, Meister 2014, Champions-League-Finale 2014 und 2016. Atlético erwarb sich den Ruf der unangenehmsten Mannschaft Europas. Es versprühte nie den Glanz und Glamour von Real oder Barcelona, stand aber immer für Arbeit, Einsatz, Leidenschaft. Wie der Trainer, so die Mannschaft. „Wenn ich Schlamm sehe, werfe ich mich hinein“, hat Simeone einmal bildhaft formuliert.

In letzter Zeit ist die bedingungslose gegenseitige Zuneigung allerdings ein wenig erkaltet. Simeone ließ seinen eigentlich bis 2020 laufenden Vertrag umschreiben und ist jetzt nur noch bis 2018 gebunden. In der Meisterschaft läuft es nicht mehr so gut. Atlético steht nur auf Rang vier, deutlich hinter den beiden großen Rivalen aus Madrid und Barcelona. Und sogar hinter dem FC Sevilla. Zudem heißt es, die beiden Niederlagen in den Champions-League-Finales gegen Real – einmal in der Verlängerung und einmal im Elfmeterschießen – nagten am Trainer. Endlich auch diesen Titel zu gewinnen, wäre ein grandioser Abschluss. Bayer Leverkusen sollte da nicht im Wege stehen.

Und danach? Simeone hat sich noch nicht geäußert,was nach Atlético kommen könnte. Argentinien vielleicht, wo seine Familie lebt. Aber da sind auch noch andere europäische Spitzenclubs, bei denen er früher spielte und die einige Jahre nichts mehr gewonnen haben: Inter Mailand und Lazio Rom.

Wer weiß, womöglich geht es eines Tages ganz schnell. Wie in Leverkusen: Da steht Diego Simeone plötzlich auf, obwohl die Pressekonferenz eigentlich noch läuft. Er nimmt seine Jacke und geht, ohne ein Wort zu sagen.

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