"Kasimir und Karoline" in Köln als müdes Sozialdrama aufgeführt

Johan Simons inszeniert Horváths "Volksstück" als Aufmarsch der Verlorenen

Köln. Die Verheißung schwebt an diesem Abend hoch in den Lüften. Der Zeppelin wird von den Figuren als Traum von Fortschritt und einer schwerelosen Existenz beschworen; ferne Sternbilder als Erlösung vom Auf und Ab des Lebens. Und am Ende lässt Regisseur Johan Simons die Umrisse eines Hauses als Versprechen privaten Glücks kitschig aufleuchten.

Doch Glück ist den Figuren in Ödon von Horváths "Kasimir und Karoline" auf Erden nicht beschieden. In diesem 1932 uraufgeführten "Volksstück" hat die Wirtschaftskrise die privaten Beziehungen fest im Griff. Da trennt sich der arbeitslose Kasimir auf dem Oktoberfest von seiner Freundin Karoline.

Tickets Karten im GA-Ticket-ShopWährend er verzweifelt noch den letzten Halt hingibt und sich an den Gelegenheitsverbrecher Merkl Franz hängt, träumt seine frühere Geliebte vom gesellschaftlichen Aufstieg. Regisseur Johan Simons verortet seine Inszenierung, die bereits im Sommer 2009 beim Festival in Avignon Premiere hatte, in der Gegenwart.

Jede sichtbare Wies'n-Anspielung ist im Gerüstbühnenbild über drei Etagen von Bert Neumann getilgt, nur der Schriftzug "Enjoy" kündet vom Vergnügen als Werbestrategie. Ein Auto steht links am Rand, rechts exekutiert eine vierköpfige Band melancholisches Liedgut (Musik: Paul Koek), und dazwischen treffen sich die Figuren auf der weiten leeren Spielfläche des Kölner Schauspielhauses wie Verlorene.

Markus Johns Kasimir im sandfarbenen Anzug hält trotzig, aber weichherzig die Trennung aufrecht und bricht dann verzweifelt in Tränen aus. Die Karoline der Angelika Richter ist da aus härterem Holz, auch wenn sie als trippelnde Naive mit Diskantstimme daherkommt. Doch der Zuschneider Eugen Schürzinger (Jan Peter Kampwirth), ein verhuschter, verschreckter Einsamer mit himbeerfarbenen Jeans und Krawatte, ist da nur scheinbar eine Alternative.

Simons verrät seine Figuren zwar nicht an sozialpsychologische Klischees, doch werden die Charakterfarben von Beginn an derart offengelegt, dass in der ersten Szene bereits alles gesagt ist. Die Protagonisten ergeben sich in ein ablaufendes Handlungsgetriebe, das zudem auf der weiten Bühne schnell an Dichte und Spannung verliert.

So bleibt es beim Gerüstturnen und kleinen Kabinettstückchen der Schauspieler. Der mit Gipsarm spielende Carlo Ljubek glänzt als bübisch-brutaler Merkl Franz, der die treue Erna der Lina Beckmann drangsaliert. Brillant Michael Wittenborn als Kommerzienrat und Felix Vörtler als Landgerichtsdirektor.

Nächster Termin: 30. Dezember

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