Wahl des SPD-Fraktionsvorsitzes Andrea Nahles löst Machtkampf in der SPD aus

Berlin · Nach der verheerenden Niederlage ihrer Partei bei der Europawahl kündigte Andrea Nahles an, sich kommenden Dienstag vorzeitig zur Wiederwahl zu stellen. Das löste in ihrer Partei eine hitzige Debatte aus.

 Geleitschutz? Andrea Nahles zwischen zwei Mitarbeiterinnen nach der Fraktionssondersitzung am Mittwoch in Berlin.

Geleitschutz? Andrea Nahles zwischen zwei Mitarbeiterinnen nach der Fraktionssondersitzung am Mittwoch in Berlin.

Foto: dpa

Nahles hatte am Montagabend, einen Tag nach dem für die SPD so verheerenden Ergebnis bei der Europawahl, angekündigt, sie werde sich kommende Woche vorzeitig zur Wiederwahl stellen. Sie wagte damit die Flucht nach vorn. Ausgelöst hatte dies ein Brief von SPD-Politikern aus dem Ruhrgebiet, die ihre Ablösung fordern. Viele Abgeordnete fühlten sich durch Nahles überrumpelt, weil die SPD-Spitze noch am Montagmorgen beschlossen hatte, nach der Wahlschlappe keine Personaldiskussionen zu führen.

In einer Sonderfraktionssitzung am Mittwoch hatten zahlreiche Abgeordnete ihre Frustration und Kritik an Nahles deutlich gemacht. Ein Bericht, wonach es zuvor in den drei Parteiflügeln Probeabstimmungen über Nahles gegeben habe, wurde aber einhellig dementiert. "Ich war in allen Sitzungen dabei, natürlich auch in der Sitzung der Parlamentarischen Linken. Es hat am Mittwoch keine Probeabstimmung zur Wahl des Fraktionsvorsitzes gegeben", sagte Fraktionsvize Karl Lauterbach.

Gleichwohl gibt es erheblichen Druck von der Parteibasis, Nahles von der Partei- und Fraktionsspitze abzulösen. "Ich sehe keine Mehrheit für Andrea Nahles bei der Wahl zur Fraktionsvorsitzenden am kommenden Dienstag", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Bernd Westphal. "Das höre ich von sehr vielen SPD-Abgeordneten, aber auch von der Parteibasis, die einen Neuanfang ohne Andrea Nahles fordern", sagte Westphal. "Entweder sie übernimmt jetzt selbst die Verantwortung für die Verluste bei der Europawahl und tritt vorher zurück. Oder sie muss am Dienstag eine Niederlage einstecken", sagte Westphal. "Dann wird sich ein anderer Kandidat oder Kandidatin zur Verfügung stellen. Wir brauchen jetzt jemanden an der Spitze, der führen kann, die Fraktion zusammenhält, das Profil der SPD schärft, in der Öffentlichkeitsarbeit alle Kanäle seriös und professionell bedient und der uns wieder nach vorne bringt." Ein Wechsel an der SPD-Fraktionsspitze bedeute noch nicht das Ende der großen Koalition. "Das war beim Wechsel des Unionsfraktionsvorsitzes ja auch nicht so", sagte Westphal.

Eine Reihe von Abgeordneten plädierte dagegen für einen Machtkampf mit offenem Visier. "Wenn ich mich selbst nicht traue zu kandidieren, dann muss ich die wählen, die zur Wahl steht, und das ist Andrea Nahles", sagte etwa Lothar Binding, der finanzpolitische Sprecher. "Ich glaube, dass Andrea Nahles am kommenden Dienstag die nötige Mehrheit bekommen wird", sagte Lauterbach. Ein Gegenkandidat werde sich nach seiner Einschätzung nicht mehr melden. "Mir wäre es allerdings lieber, wenn jemand gegen Andrea Nahles kandidieren würde. Dann hätten wir eine offene Auseinandersetzung", sagte Lauterbach.

Auch die Debatte über den Fortbestand der Koalition kochte wieder hoch. Der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann sagte in der Fraktionssitzung am Mittwoch nach einem Bericht des "Spiegel": "Wir müssen Trophäen einfahren, oder wir werden Konsequenzen ziehen müssen." Die SPD stehe vor der Frage, ob es die Groko an Weihnachten noch gebe.

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