Jugendschutz Mehr Schutz für Kinder im Internet geplant

Berlin · Das geltende Gesetz zum Jugendschutz ist veraltet. Familienministerin Franziska Giffey plant eine Reform mit Pflichten und Bußgeldern insbesondere für Messengerdienste.

 Das Smartphone gehört zum Alltag von Jugendlichen.

Das Smartphone gehört zum Alltag von Jugendlichen.

Foto: grafik/picture alliance / dpa

Kinder und Jugendliche werden von Fremden bei Whatsapp, Instagram und Facebook angeschrieben. Sie können sich Gewaltszenen anschauen, haben Zugriff auf pornografisches Material, ihre digitalen Identitäten werden gestohlen, Mobbing ist im Netz keine Seltenheit. Doch als die Gesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Medien zuletzt reformiert wurden, waren diese Gefahren noch gar nicht oder kaum bekannt. Das nötige Update hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) nun auf den Weg gebracht und Ende vergangener Woche an ihre Kabinettskollegen verschickt.

Der Gesetzentwurf, der unserer Redaktion vorliegt, sieht im Kern deutlich mehr Pflichten für Messengerdienste und andere soziale Netzwerke vor, die mehr als eine Million Nutzer haben. Das Ziel sei, „Kindern und Jugendlichen eine unbeschwerte Teilhabe an den für sie relevanten Medien in sicheren Interaktionsräumen zu ermöglichen und auch die Eltern entsprechend zu stärken“.

Dafür müssen die Anbieter künftig eigene Maßnahmen für einen erhöhten Schutz ergreifen. Welche genau das sein werden, entscheiden zunächst die Plattformen. Denkbar wäre laut Gesetzentwurf beispielsweise, dass die Voreinstellungen eines Anbieters nicht ermöglichen, dass Suchmaschinen die Nutzerprofile finden können.

In Betracht könnte laut 80-seitigem Entwurf auch kommen, dass Nutzer nur mit einem bestimmten Personenkreis kommunizieren können. So könnten Eltern bestimmte Rufnummern freigeben, mit denen ihr Kind sich bei Whatsapp austauschen kann. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass Kinder und Jugendliche über leicht auffindbare Funktionen Hilfe bekommen können. Es soll zudem eine verbindliche Alterskennzeichnung für Spiele und Filme im Netz geben.

Schutz vor Mobbing, sexualisierter Anmache, Hassrede oder Abzocke

Ministerin Giffey betonte, Kinder und Jugendliche würden nicht zwischen on- und offline unterscheiden, beides sei zu einer Lebenswelt geworden. „Auch in der digitalen Welt brauchen Kinder und Jugendliche Schutz vor Mobbing, sexualisierter Anmache, vor Hassrede oder Abzocke“, sagte Giffey.

Damit die Anbieter auch wirklich etwas ändern und wirksame Maßnahmen ergreifen, soll die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien künftig als neue „Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz“ die Angebote der Plattformen, Messengerdienste und Spielebetreiber überwachen und bewerten dürfen. Kommt ein Unternehmen seinen Pflichten nicht nach, kann die Behörde laut Entwurf ein Bußgeld von bis zu fünf Millionen Euro verhängen.

Bevor das Gesetz verabschiedet werden kann, müssen noch die anderen Ministerien zustimmen. Aus der Union gab es bereits erste positive Reaktionen. „Ich begrüße es, dass unsere Vereinbarung im Koalitionsvertrag, einen zeitgemäßen Rechtsrahmen für den Kinder- und Jugendmedienschutz zu schaffen, nunmehr durch den Gesetzesentwurf adressiert wird“, sagte Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin im Bundeskanzleramt und zugleich  Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung.

Jugendmedienschutz müsse die mit der Digitalisierung einhergehenden Gefahren für Kinder und Jugendliche bekämpfen. Giffeys Text will sie sich jetzt genauer anschauen. „Ob der Gesetzesentwurf die Anforderungen, die an ihn gestellt werden, erfüllt, wird im Rahmen der Ressortabstimmung im Einzelnen geprüft“, sagte Bär auf Anfrage. Das Gesetz soll eine EU-Richtlinie umsetzen, im September 2020 läuft die Frist dafür ab.

Tik Tok wächst rasant

Seit Jahren warnen Experten vor den Gefahren für Kinder und Jugendliche im Netz, immer wieder haben die Unternehmen auf den Druck reagiert und mehr oder weniger wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen. Doch die gesetzlichen Vorschriften blieben bislang hinter den sich schnell wandelnden Angeboten zurück. Die chinesische Plattform Tik Tok beispielsweise soll nach nur drei Jahren weltweit bereits mehr als eine Milliarde monatlich aktive Nutzer haben – kein anderes soziales Netzwerk ist bislang in so einem Tempo gewachsen. Zugleich steht TikTok wegen des Umgangs mit Nutzerdaten in der Kritik. Und: Die Plattform wird von besonders jungen Menschen genutzt, oft sind sie unter 13 Jahren alt, obwohl die App dies als das offizielle Mindestalter ausgibt.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Bitkom, Berhard Rohleder, vertritt die Interessen von Digitalunternehmen. Auch er sieht Handlungsbedarf des Gesetzgebers. „Wie im analogen Leben müssen Kinder und Jugendliche auch in der digitalen Welt vor Gefahren geschützt werden“, sagte er auf Anfrage. „Wir begrüßen sehr, dass die Familienministerin einen zeitgemäßen Jugendschutz schaffen möchte.“

Ziel der Reformen müsse sein, für Medieninhalte eine sowohl im Offline- als auch im Online-Bereich gültige Freigabe und Kennzeichnung zu ermöglichen. „Um der globalen Dimension des Internets gerecht zu werden, wäre eine Öffnung für international tragfähige Kennzeichnungen wünschenswert“, sagte Rohleder. Er forderte zudem, Digitalkompetenz einen festen Platz in den Lehrplänen der Schulen zu geben.

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