Sichere Herkunftsländer Schwarz-grüner Zwist

Berlin · Heute geht es im Bundesrat um die Frage der sicheren Herkunftsländer. Eine Mehrheit für eine Neuregelung zeichnet sich bislang aber noch nicht ab.

 Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster im Rahmen einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug.

Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster im Rahmen einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug.

Foto: dpa

Der Streit über die Einstufung der Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer wird sich wohl weiter hinziehen. Bis gestern Abend zeichnete sich trotz einer Annäherung von Bundesregierung und grün-schwarz regiertem Baden-Württemberg keine Mehrheit im Bundesrat für die Regelung ab, mit der Asylverfahren bei diesen Herkunftsländern drastisch verkürzt werden sollen. Abgesehen von Baden-Württemberg standen alle anderen Länderregierungen, in denen die Grünen mitregieren, bis zuletzt auf der Bremse. Deshalb gilt es als wahrscheinlich, dass das vom Bundestag verabschiedete Gesetz heute im Bundesrat gestoppt wird.

Viel zu spät habe Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) das Gespräch gesucht, heißt es bei jenen Grünen, die eine solche Einstufung nicht grundsätzlich ablehnen, sich aber gegenüber dem linken Flügel rechtfertigen müssen. Auch die SPD-Länder, die bis auf Schleswig-Holstein klar auf Regierungskurs segeln, rügen hinter vorgehaltener Hand das Management des Chefkoordinators von Kanzlerin Angela Merkel. „Unfassbar“ sei es gewesen, dass Altmaier die Angelegenheit trotz ihrer Brisanz monatelang habe liegen lassen, um dann erst Mitte dieser Woche den Brückenschlag ins grüne Lager zu versuchen.

Die Grünen tun sich vor allem deshalb schwer, weil selbst die Bundesregierung in ihren Stellungnahmen einräumen muss, dass Homosexualität in allen drei Ländern strafbar ist und vor allem die Bildung von Interessenvertretungen für Schwule und Lesben mit der Härte des Gesetzes verhindert wird. Jetzt wird über eine Protokollerklärung der Bundesregierung diskutiert, als Ergänzung zum Gesetz. Darin solle festgeschrieben werden, dass die Asylbegehren von bestimmten Personengruppen – etwa Homosexuelle, Journalisten, Blogger – mit besonderer Achtsamkeit geprüft werden. Dass dieser Vorstoß nur wenige Stunden vor der Abstimmung für eine Mehrheit reichen könnte, galt als unwahrscheinlich.

Bei SPD-Ländern und in Berliner Regierungskreisen keimt inzwischen der Verdacht auf, Union und Grüne könnten in dieser Frage eine Chance erkennen, ihre Eigenständigkeit zu dokumentieren. Denn da die Zahl der Neuankömmlinge aus diesen drei Staaten seit der Schließung der Balkanroute rapide bergab gegangen ist und sich kaum noch in den Statistiken niederschlägt, sprechen auch pragmatische Spitzenpolitiker auf Landesebene von einem Symbolthema. Für die Grünen geeignet, sich nach schmerzhaften Kompromissen fest auf Seiten der Menschenrechte zu positionieren. Für die Union ein Anlass, die Grünen vorzuführen und so den Konflikt der Schwesterparteien CDU und CSU um konservative Werte und Unterscheidbarkeit abzuschwächen.

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