Bundesdatenschutzbeauftragter stellt Tätigkeitsbericht vor Ulrich Kelber kritisiert hohes Gesetzestempo in der Pandemie

Berlin · Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber kritisiert in seinem Tätigkeitsbericht das hohe Gesetzestempo und zu kurze Fristen im Kampf gegen die Pandemie.

 Der Bonner Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), stellt seinen Tätigkeitsbericht vor.

Der Bonner Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), stellt seinen Tätigkeitsbericht vor.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Ulrich Kelber hat vorgebaut und seine Bonner Bundesbehörde für mehr Homeoffice ausgerichtet. Dann kam die Pandemie. Viel Arbeit, viele Gesetze, oft mit kurzen, teilweise auch mit sehr kurzen Fristen. Das Coronavirus kennt kein Wochenende. Eingang Samstag, Stellungnahme erbeten bis Sonntag, wie Kelber erinnert. „Doch auch ohne Pandemie hätte meine Behörde alle Hände voll zu tun gehabt“, blickte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) bei der Vorlage des Tätigkeitsberichtes am Donnerstag in Berlin auf das zurückliegende Jahr.

Zur Stellungnahme für das erste Pandemiegesetz habe seine Behörde gerade vier Stunden Zeit bekommen, für das zweite wie für das dritte Pandemieschutzgesetz jeweils eineinhalb Tage. Folge sei, dass die Bonner Bundesbehörde handwerkliche Fehler und versteckte rechtliche Wirkungen in den Gesetzen nicht immer schnell genug finden könne, „weil eine umfassende Prüfung unmöglich gemacht wurde“. Dem Bundesdatenschutzbeauftragten wurden im vergangenen Jahr gut 10.000 Datenschutzverstöße gemeldet, besonders viele von Finanzämtern, Jobcentern und Telekommunikationsunternehmen.

 Kelber betonte Funktion und Bedeutung etwa der Corona-Warnapp. Eine solche Warnapp sei immer nur „ein Baustein in der Pandemiebekämpfung“. Und sie könne nur funktionieren, wenn „andere Bausteine auch belastbar“ seien. Die App müsse ständig weiterentwickelt werden, was eine Zeitlang versäumt worden sei.  „Die App erfüllt ihren Zweck, wenn sie als ein Baustein mit allem funktioniert.“ Die Corona-Warnapp sei dann „überlegen, wenn es um Geschwindigkeit geht“. Potenziell gefährdete Kontaktpersonen würden, wenn das Ergebnis da sei, „in diesem Augenblick bereits informiert“. Dies sei schneller als jeder Weg über die Gesundheitsämter, was teilweise Tage dauern könne. „Hier ist es der Bruchteil einer Sekunde.“

 Kelber ging auch auf die „Datenspende-App“ des Robert Koch-Institutes ein. „Die datenschutzkonforme Erhebung von Fitness-Tracker-Daten aus den Systemen der unterschiedlichen Anbieter ist weder rechtlich noch technisch unproblematisch.“ Er warte hier auf eine weitere Evaluierung des Robert Koch-Institutes, ob der weitere Betrieb dieser App gerechtfertigt sei. Auch die Vorstellung, der Datenschutz sei das einzige Grundrecht, das in der Pandemie nicht angetastet werde, sei problematisch. Schon allein die Änderungen beim Infektionsschutzgesetz würden diese Behauptung widerlegen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz nannte es in diesem Zusammenhang „unerträglich, wie ein Grundrecht manchmal aus Ahnungslosigkeit (…) kaputtgeredet“ werde. Ausgeweitete Meldepflichten etwa für Verkehrsunternehmen oder Kulturveranstalter sehe er kritisch, weil dies „oft erhebliche Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ seien.  

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz erklärte zum Datenschutz in Deutschland, der Tätigkeitsbericht zeige erneut „großen, auch gesetzgeberischen Handlungsbedarf“ auf. Denn: „Ob unsichere Videokonferenzsysteme, in Restaurants umherfliegende Adressbögen oder seit Jahren ungeklärte Rechtsfragen bezüglich des transatlantischen Datenaustauschs – nicht zuletzt die Corona-Krise hat breiten Teilen der Gesellschaft bewusstgemacht, wie wichtig der Grundrechtsschutz im Digitalen und gute Gesetzgebung in diesem Bereich ist.“ Leider seien die Bundesregierung und das federführend zuständige Bundesinnenministerium im Bereich des digitalen Grundrechtsschutzes „Totalausfälle“ gewesen. 

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