Morddrohungen auf dem Anrufbeantworter

Bonner Konsulat der Exil-Afghanen steht auch drei Wochen nach den Terroranschlägen unter Polizeischutz

  Unter Polizeischutz  steht die Afghanische Botschaft in Ückesdorf

Unter Polizeischutz steht die Afghanische Botschaft in Ückesdorf

Foto: Barbara Frommann

Bonn. "Wir bringen Euch um, Ihr Taliban-Terroristen!" Und: "Einen schönen Tod!" So klingen Nachrichten, die Anrufer auf dem Anrufbeantworter des Bonner Konsulats der Exil-Afghanen hinterlassen haben. Nach den Terroranschlägen in den USA erreichen Drohungen und Beschimpfungen den Ückesdorfer Missionsanschluss.

"Nichts ist mehr so, wie es einmal war." Ein Satz, der seit den Anschlägen auf Amerika oft gebraucht wurde. Meist von Amerikanern und ihren Verbündeten in der Welt. Er gilt aber auch für andere. Zum Beispiel für Afghanen, die in Bonn leben. Seit dem 11. September bewacht die Polizei das Botschaftsgebäude im sonst so friedlichen Liebfrauenweg. Parken kommt in der Straße seit Wochen ohnehin nicht mehr in Frage.

Im Arbeitszimmer von Birgitta Kraus steht der Anrufbeantworter, der die Morddrohungen aufgezeichnet hat. "Die Polizei hat die meisten sehr ernst genommen und der Staatsschutz war einige Male hier", sagt die Botschaftsmitarbeiterin, die in ihrer Freizeit für die CDU in der Hardtberger Bezirksvertretung sitzt. Eine Morddrohung stamme nachweislich von einer deutschen Frau, deren Eltern in New York umgekommen sind. "In diesem Fall habe ich fast noch Verständnis für eine Reaktion - auch wenn ich die Morddrohung nicht akzeptiere."

"Nur langsam geht wieder alles seinen gewohnten Gang", sagt die 48-Jährige. Der normale Botschaftsbetrieb sei lange lahmgelegt gewesen: "Die Afghanen haben sich nicht mehr hergetraut." Der Stimmungsumschwung gegenüber ihrem Volk mache vielen Angst. Viele hätten vorsichtig angerufen und gefragt, ob die Botschaft überhaupt geöffnet habe.

Doch auch positive Dinge erleben die Botschaftsangehörigen in diesen Tagen. "Viele Leute haben sich bei uns gemeldet und wollten mehr wissen über Afghanistan, die Leute - und auch wer die Taliban sind", weiß Kraus. Seitdem versuchen die Afghanen und ihr Generalkonsul Fazlurrahman Fazil vor allem eines: die Leute aufzuklären. Denn Afghanistan ist nicht gleich Taliban: "Die Botschaft ist eine Vertretung der Nord-Allianz, der legitimen Regierung in Kabul", sagt Fazil. Die Taliban und Osama bin Laden, verdeutlicht er, seien deren Feinde.

Froh ist Fazil, dass zumindest keine Afghanen unter den Attentätern waren. Im Gegenteil: "Auch wir sind Opfer der Terroristen geworden: Als unser Verteidigungminister Ahmed Schah Massud bei einem Anschlag ums Leben kam." In der Botschaft gab es deshalb eine Trauerfeier - unter verstärktem Polizeischutz.

An einem anderen Ort in Bonn, im Afghanistan Zentrum in der Hausdorffstraße, kommt zu der Sorge um die eigene Lage, die Angst um die Landsleute in Afghanistan. "Wir sind sehr beunruhigt, weil wir nicht wissen wie es mit unseren Freunden in Afghanistan weitergeht", sagt Jonas Ayazi, Leiter des Zentrums. Viele Afghanen in Deutschland haben natürlich Familie in ihrem Heimatland, deren Zukunft sei sehr ungewiss. Deshalb werden die Ängste jeden Tag größer.

Zum Glück sei an den Gerüchten um Übergriffe auf Landsleute in Deutschland bisher wenig dran. Drohanrufe seien aber auch in der Hausdorffstraße eingegangen. Seitdem steht auch Ayazi in engem Kontakt mit der Bonner Polizei, die vermehrt vor dem Zentrum Streife fährt. Für die Afghanen ist das eine Ausnahmesituation: "Wir sind ein neutrales Zentrum und gehören zu keiner Partei", sagt Ayazi, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt und deutscher Staatsbürger ist.

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