Siebengebirgsmuseum Werner Lemmerz leiht einen Wahrsageautomaten und einen Kraftmesser

SIEBENGEBIRGE · Elmar Scheuren, dem Leiter des Siebengebirgsmuseums, wird der große Wurf gelingen. Er darf nur nicht nachlassen in seinen Anstrengungen. Das jedenfalls bescheinigte ihm jetzt die Wahrsagerin aus dem eigenen Hause. Eine Rarität des Museums sind nämlich zwei Automaten, wie sie in der Fabrik der Brüder Franz und Simon Lemmerz in Königswinter gebaut wurden.

 Ansgar Klein (r.) und Elmar Scheuren testen den Kraftmesser.

Ansgar Klein (r.) und Elmar Scheuren testen den Kraftmesser.

Foto: Homann

Im roten Wahrsagekasten sitzt Madame, und nach Einwurf eines 20-Cent-Stücks leistet sie ihre Dienste, der Mund bewegt sich, eine Hand gleitet über die aufgeschlagenen Karten. Und das Ergebnis ihrer Bemühungen ist auf einem Kärtchen nachzulesen, das der Automat ausspuckt. Neben den Vorhersagen zur Zukunft finden sich auch noch die Glückszahlen. Elmar Scheuren stellte sich mutig als "Versuchskaninchen" am Objekt zur Verfügung, nachdem Historiker Ansgar Klein innerhalb der Veranstaltungsreihe "Kostproben" zum Thema "Automaten am Drachenfels" einen Vortrag gehalten hatte.

Franz Lemmerz' Enkel Werner erläuterte das Innenleben des Wahrsageautomaten, dessen ausgeklügeltes, rein mechanisches System mit Uhrwerk für die Funktionstüchtigkeit der Wahrsagerin sorgt. "112 Texte standen für die Karten zur Verfügung, 26 verschiedene gehörten stets zu einem Päckchen", berichtete Werner Lemmerz. Er meinte schmunzelnd: "Es könnte ja mal ein Kegelclub kommen, da sollten die Karten unterschiedliche Aussagen haben." Wer die Vorhersagen traf? "Mein Opa und mein Vater haben sie geschrieben."

"Wann genau die ersten Spiel- und Unterhaltungsautomaten am Drachenfels standen, ist nicht mehr feststellbar", erläuterte Ansgar Klein. Mitte der 30er Jahre gab es in Königswinter 57 Automaten: 30 in den Hotels, und der Rest säumte den Weg zum Drachenfels. Allein 34 davon stammten aus der Firma Lemmerz oder befanden sich in ihrer eigenen Automatenhalle am Drachenfels. Anfang der 20er Jahre hatten die Brüder Simon und Franz Lemmerz ihre Fabrik für Hydraulikpumpen gegründet, aus der sich dann die Automatenfabrik entwickelte. Vor dem Ersten Weltkrieg bauten sie noch mit ihrem älteren Bruder Johann Automobile, der sich später auf die Felgen- und Räderfabrikation spezialisierte.

Zunächst hatten die "Automaten-Brüder" noch an der Kaiserstraße Personenwaagen fabriziert. Mit Erfindungsreichtum ausgestattet, ertüftelten sie immer neue Automaten-Modelle. Die Prototypen testeten sie zunächst in einer Bude am Drachenfels. Auf Kirmesfesten knüpften sie Kontakte zu Schaustellern, die dann Orakelautomaten, Liebesthermometer oder Kraftmesser gegen eine Gewinnbeteiligung mit auf ihre Reisen nehmen durften. Während der NS-Zeit wurden die Wahrsageautomaten in Deutschland verboten und zerstört, in Königswinter aus der Werkstatt geholt und in den Rhein geworfen. Nach dem Krieg bargen die Eigentümer drei von ihnen. Zwei existieren noch.

Während des Krieges wurde die Fabrik am Oberdollendorfer Weg durch Bomben zerstört. Es erfolgte eine Rückkehr an die Kaiserstraße. Neben der älteren Automatenbude oberhalb des Hauses Kuckstein errichtete die Firma 1954/55 die größere Automatenhalle unterhalb der Nibelungenhalle. Sie meldete ihre Erfindungen als Patente an und erlangte eine Monopolstellung. Die Automaten wurden auch verliehen. Vorteil für die Kunden: Lemmerz übernahm die Wartung.

Speziell für den Drachenfels entwickelten die Tüftler den Kraftmesser "Aufstieg auf den Drachenfels", den Werner Lemmerz dem Museum neben der Wahrsagerin ebenfalls als Leihgabe zur Verfügung stellte. Auch Sagen-Automaten wie etwa die "Heinzelmännchen von Köln" waren an Königswinters Hausberg noch bis vor wenigen Jahren zu finden. Werner Lemmerz führt das Unternehmen in dritter Generation. "Den meisten Spaß machte die Entwicklung von der Idee bis zum fertigen Gerät." Nur wenige Automaten sind noch unterwegs. So steht auf dem Oktoberfest regelmäßig ein Wahrsageautomat. Und nun ist eine Wahrsagerin eben auch museumsreif.

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