Kein Nachfolger gefunden Siegburger Hausarzt verschenkt seine Praxis

SIEGBURG · Seit fünf Jahren ist der Siegburger Allgemeinmediziner Richard Beitzen auf der Suche nach einem Nachfolger. Nun hat er eine Entscheidung getroffen.

Die Zielgerade hat Richard Beitzen eigentlich schon vor fünf Jahren erreicht. Nach 32 Jahren möchte sich der Allgemeinmediziner zurückziehen und seinen Anteil an der Praxisgemeinschaft im Siegburger Ortsteil Kaldauen einem Nachfolger übergeben. Doch auf dem Weg dahin stolpert er immer wieder. Die wenigen Interessenten, die es bislang gab, sprangen alle ab – und das Ziel bleibt in weiter Ferne. „Ich bin inzwischen müde“, sagt der 67-Jährige. Daher habe er sich nun entschieden: „Ich verschenke meine Hausarztpraxis.“

Die Idee kam ihm in der vergangenen Woche im Urlaub. „Ich bin Arzt mit Leib und Seele“, betont Beitzen. Doch so gehe es nicht weiter. Er möchte sich nicht mehr mit immer neuen Abrechnungsmodellen und Rahmenbedingungen befassen. Vor fünf Jahren war er fast schon am Ziel, eine Nachfolgerin wurde eingestellt. „Es hat sich aber herausgestellt, dass sie nicht geeignet war für die Selbstständigkeit“, sagt der Arzt für Allgemein- und Sportmedizin sowie Chirotherapie. Der Vertrag wurde aufgelöst. Seither ist Beitzen auf der Suche.

Sein Sitz ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung wie auch in mehreren Praxismakler-Büros ausgeschrieben. „Das Interesse tendiert gen Null“, so Beitzen. Gerade einmal fünf Interessenten habe er in drei Jahren gehabt. Die Übergabegespräche seien im Sande verlaufen. „Ich bin noch nicht so weit, einfach jeden Arzt zu nehmen oder aufzugeben und aufzuhören“, sagt er. Denn er möchte die Patientenversorgung gesichert wissen, wenn er sich zurückzieht. Beitzen versorgt einen Stamm von 1000 Patienten. Noch einmal so viele betreut seine gleichberechtigte Partnerin in der Praxisgemeinschaft.

"Geschenkte" Praxis kostet 35.000 Euro

Ganz geschenkt erhält ein Nachfolger die Praxis dann aber doch nicht. „Ein Sachverständiger hat sie mit 150.000 Euro bewertet“, so der Mediziner. Etwa 35.000 Euro davon entfielen auf materielle Werte wie Möbel, Praxisausstattung und medizinische Geräte. Allein diesen Betrag würde er von seinem Nachfolger verlangen. „Die Praxis ist bestens technisch ausgestattet, er müsste nichts investieren und könnte sofort anfangen“, sagt Beitzen, der auf den größeren Teil, der für seine Altersvorsorge gedacht war, verzichtet.

„Die Suche nach einem Nachfolger ist schwieriger geworden, auch in der Innenstadt“, bestätigt Elke Cremer, stellvertretende Kreisstellenvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung. Oft hätten junge Ärzte andere Vorstellungen und scheuten vor der Verantwortung einer eigenen Praxis zurück. Zudem sei der Großteil der Medizinstudenten weiblich. „Die sind nach Abschluss ihrer Ausbildung Anfang 30, stehen oft vor der Familienplanung und eine Praxisgründung kommt erst einmal nicht in Frage.“ Der Trend gehe momentan dahin, dass niedergelassene Ärzte sich einen zweiten Sitz hinzunähmen und dafür junge Ärzte anstellten.

„Akut gibt es in Siegburg aber keinen Nachwuchsmangel“, sagt Cremer. Das sehe im östlichen Rhein-Sieg-Kreis anders aus. Noch sei das nicht problematisch, da ältere Kollegen weiter, teils tageweise im Einsatz seien und so die Versorgung sicherten. Schon jetzt seien aber ein Drittel der niedergelassenen Hausärzte 60 Jahre und älter. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung schätzt daher, dass bis 2030 bundesweit mehr als 10.500 Hausärzte fehlen könnten.

Sogenannte "Landtage" sollen helfen

„Die ländlichen Gegenden sind für junge Ärzte oft nicht so attraktiv“, sagt Cremer, die eine Hausarztpraxis in Troisdorf hat. Das zu ändern, haben sich das Institut für Hausarztmedizin der Universität Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis vorgenommen. Sie bieten regelmäßig „Landtage“ für Allgemeinmediziner in Weiterbildung an. Dafür kommen sie in Orten zusammen, wo der Bedarf am größten ist. Landtage gab es bereits in Win-deck, Eitorf, Much und Rheinbach.

Mitte der Woche hat Richard Beitzen den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt und seine Praxis als Geschenk angeboten. Mit der Welle, die danach auf ihn einschlug, hat er nicht gerechnet. „Es war ein letzter Versuch“, sagt der Mediziner. Ein Versuch, der ihm binnen 24 Stunden sieben Bewerbungen eingebracht hat. Die sichtet er mit seiner Kollegin, dann gibt es Gespräche. Denn, so betont Beitzen, sie entscheidet mit, mit wem sie künftig zusammenarbeitet. Zwei Termine stehen bereits am Montag an. Seinen Patienten bleibt der 67-Jährige in jedem Fall noch eine Weile erhalten: „Vor Ende des Jahres lässt sich eine Übergabe gar nicht realisieren“, sagt Beitzen. Gleichwohl, sein Ziel ist nun zum Greifen nah.

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