"Wir hatten mit dem Leben abgeschlossen"

Zwei Mitarbeiterinnen der Bonner Welthungerhilfe entkamen der Flutkatastrophe in Südostasien nur knapp

  Das Traumziel  vieler Urlauber wurde zum Katastrophengebiet: der verwüstete Strand bei Moratuwa auf Sri Lanka.

Das Traumziel vieler Urlauber wurde zum Katastrophengebiet: der verwüstete Strand bei Moratuwa auf Sri Lanka.

Foto: dpa

Bonn. Einfach ausspannen habe sie gewollt, die freien Tage zu Weihnachten in einer Ferienanlage am Strand verbringen. Anke Schürmann (38), Projektleiterin der Welthungerhilfe im indischen Bangalore, war nach Sri Lanka geflogen, um dort mit Claudia Balkhausen (40), ebenfalls Mitarbeiterin der Bonner Hilfsorganisation, Weihnachten unter Palmen zu feiern.

Doch binnen Sekunden verwandelte sich das Urlaubsparadies in ein Katastrophengebiet. Mitten in der Nacht waren die Frauen von der ersten Flutwelle überrascht worden. "Wir hatten mit dem Leben abgeschlossen", sagte Anke Schürmann dem GA am Telefon.

Die Bornheimerin Claudia Balkhausen kann noch immer nicht über die schlimmen Erlebnisse der vergangenen Tage sprechen. Auch Anke Schürmann hat sich vom Schrecken und ihren Verletzungen noch nicht vollständig erholt, konnte am Dienstag aber schon einen ersten Bericht geben von ihrer dramatischen Flucht vor den Fluten.

Die hatte zunächst auf einen Baum geführt. Dann, bevor die zweite Welle kam, hatten Anke Schürmann und ihre Kollegin sich auf das Dach eines Gebäudes retten können - im letzten Augenblick. Die zweite Welle nämlich sei noch stärker gewesen, berichtet die 38-jährige. "Vom Dach aus haben wir gesehen, wie Boote gegen Telefonmasten geschleudert, Autos und Hütten weggespült und Bäume entwurzelt wurden; Pferde und Hunde kämpften um ihr Leben."

Als auch ihre Zuflucht unter dem Druck der Wassermassen zu bersten begann, waren die beiden Helferinnen zurück ins Wasser gesprungen, hatten sich halb schwimmend, halb laufend durch Mangrovenwald und zwischen Kakteen hindurch weiter gekämpft, weg vom Strand. Was sie besaßen, mussten sie hinter sich lassen, in der Panik ihrer Flucht verloren die beiden Frauen schließlich auch einander aus den Augen.

Irgendwie schaffte Anke Schürmann es bis zu einer Straße, die etwas höher lag. Einheimische halfen ihr, sie kam in ein Krankenhaus. Dort habe unbeschreibliches Chaos geherrscht, es habe an Medikamenten gefehlt, niemand sei auf die große Zahl der Verletzten eingestellt gewesen, sagt die Düsseldorferin. Ihre eigenen Wunden seien ihr beim Anblick des Leids anderer plötzlich unbedeutend vorgekommen. Sie verließ das Krankenhaus.

Nachts gewährten Einheimische ihr ein Dach über dem Kopf. Sie traf Claudia Balkhausen wieder. Im Radio wurden Warnungen gesendet: Verlassen Sie die Küstenregion! Am nächsten Morgen versuchten die Frauen gemeinsam mit anderen Deutschen, die Weiterfahrt zu organisieren. Ein schwieriges Vorhaben: Leihwagen gab es nicht mehr, auch Benzin und Wasser waren nur schwer aufzutreiben. Schließlich gelang es doch, und die Gruppe brach zu einer 17-stündigen Odyssee nach Vavuniya auf, dem Hauptquartier der Welthungerhilfe auf Sri Lanka.

Dort sind Anke Schürmann und Claudia Balkhausen am Dienstag angekommen. Sie wurden ärztlich versorgt und konnten endlich zur Ruhe kommen. Was aber soll nun werden? "Wir haben beide vor, erstmal hier zu bleiben," sagt Anke Schürmann. Auf den Flughäfen herrsche heilloses Durcheinander. Erst in einigen Tagen wollen beide die Insel verlassen, ihre Familien in Deutschland besuchen und den Schrecken, der auf die Katastrophe folgte, so weit wie möglich hinter sich lassen.

Nach dem schweren Seebeben in Südostasien rufen zahlreiche Hilfsorganisationen zu Spenden auf. Weitere Infos dazu finden Sie hier.

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