"O Tannenbaum" mal anders

BONN · Das Bonn Jazz Orchester feiert in der Harmonie swingende Vorweihnacht.

Für vorweihnachtliche Gemütlichkeit war vorerst kein Platz. Der Christmas-Express des Bonn Jazz Orchesters nahm mit "Jingle Bells" gleich Fahrt auf. Federnd, swingend, "in-the-mood-mäßig", wie Oliver Pospiech es ausdrückte. Zusammen mit Thomas Kimmerle hatte Pospiech mit nur drei Proben ein fulminantes Weihnachts-Special für die junge Bonner All-Star-Formation auf die Beine gestellt. Ein glückliches Publikum in der ausverkauften Harmonie, ein professionell mit unbändiger Spielfreude, wendig und packend agierendes Ensemble - das sind die Koordinaten für eine ganz besondere Weihnachtsfeier, in der viele Klassiker geboten wurden. So hatte man sie aber noch nicht gehört.

17 Musiker drängten sich auf der engen Bühne. Mark Daviz, der als Sänger die Bigband unterstütze, brauchte gefühlte 15 Minuten, um sich nach vorne zu arbeiten. Ein Weg, der sich gelohnt hat: Denn mit Daviz' "schwarzer" Stimme kam der Puderzucker auf die musikalischen Weihnachtsplätzchen.

"The Christmas Song" und "This Christmas", auch "Stille Nacht" wurden vom Schmelz seiner Stimme in Zuckerwatte gepackt, aber auch mancher schräger, schmutziger Ton mischte sich in den Winterzauber. Schneidendes Blech, die treibenden Saxofone und eine exzellent aufgestellte Rhythmusformation sorgten dafür, dass man nicht in eine seichte Gefühligkeit abdriftete. Ganz unweihnachtliche Attacke war die Devise.

"Little Drummer Boy" erster Höhepunkt des Abends

Mit dem "Little Drummer Boy", spannend und vertrackt arrangiert für die Bigband der US-Amy und von den Bonnern perfekt umgesetzt, erreichte der Abend einen ersten Höhepunkt. Es war auch die Stunde für den glänzenden Drummer Boy der Bonner, Leif Battermann. Zuvor hatte man im Up-Tempo irgendwie genial "Let It Snow" und den Standard "Four Brothers" zusammengebracht. Bei "Have yourself a merry li'l Christmas" lieh man sich den gedämpften Sound von Count Basie aus. Jedes Stück ein Experiment.

Das Bonn Jazz Orchester hat nicht nur klasse Musiker in seinen Reihen, die auch mit Soli glänzen können - Adi Becker, Markus Land, Thomas Heck, Shawn Spicer, Oliver Leue, Pospiech und Kimmerle, um nur einige zu nennen - , das Orchester hat auch einen hoch talentierten Arrangeur wie den 24-jährigen Hagen Anselm Fritzsche. "Coming Home" etwa hat er der Band und dem überragenden Altsaxofonisten Markus Land auf den Leib geschrieben, "Kommet ihr Hirten" dekonstruierte er bis auf wenige Wiedererkennungstakte, um das Ganze dann für einzelne Musikergruppen neu zusammenzusetzen.

Mit einem ziemlich schrägen "O Tannenbaum" inklusive entfesselter Hammond-Orgel am Ende und der Wiederholung von "Silent Night" als Zugabe - diesmal auf Wunsch des Publikums mit erster Strophe auf Deutsch - erhielt dieser vierte Advent einen wunderbaren Glanz.

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