US-Finanzkrise Die Katastrophe verhindert, die Krise bleibt

Washington · Der US-Kongress hat in letzter Minute einen Staatsbankrott abgewendet und die Weltwirtschaft vor unkalkulierbaren Turbulenzen bewahrt.

 Aufatmen (nicht nur) in Washington: Die USA können ihr Schuldenlimit doch noch anheben und kehren dank Übergangsetat zur Normalität zurück - zumindest vorerst. Foto: Martin H. Simon

Aufatmen (nicht nur) in Washington: Die USA können ihr Schuldenlimit doch noch anheben und kehren dank Übergangsetat zur Normalität zurück - zumindest vorerst. Foto: Martin H. Simon

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Nach wochenlangem Machtkampf mit Präsident Barack Obama ließen die oppositionellen Republikaner in der Nacht zum Donnerstag doch noch ein Gesetz passieren, das die Zahlungsfähigkeit der USA vorerst sichert.

Bis zum 15. Januar gilt ein Übergangsetat und bis zum 7. Februar ein höheres Schuldenlimit. Damit wurde auch der Verwaltungsstillstand beendet.

"Lasst mich ganz klar sagen, es gibt hier keinen Gewinner", sagte Obama am Donnerstag im Weißen Haus. Der Konflikt habe dem Wachstum und der Kreditwürdigkeit der USA geschadet. "Das amerikanische Volk hat von Washington die Nase total voll." Republikaner und Demokraten sollten ihre ideologischen Differenzen überwinden und die drängenden Probleme des Landes angehen.

Unterdessen kehrten Hunderttausende Staatsbedienstete nach 16 Tagen Zwangsurlaub an ihre Arbeitsplätze zurück. Sie erhalten rückwirkend ihren Lohnausfall erstattet. Behörden, Nationalparks und Museen öffneten wieder ihre Pforten. Viele Amerikaner atmen auf.

Die Einigung kam kurz vor Ablauf der Frist zur Anhebung des Kreditlimits von derzeit 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro). Ohne neues Gesetz wäre dem Finanzministerium das Geld zur Zahlung von Rechnungen und Zinsen ausgegangen. Am Donnerstag begann es erstmals wieder damit, zusätzliche Schulden aufzunehmen.

Das beispiellose Kräftemessen zwischen Obamas Demokraten und den Republikanern in der Finanzpolitik ist aber nur vorläufig beendet. Bis zum 13. Dezember muss eine überparteiliche Kommission aus Kongressmitgliedern einen Kompromiss finden, wie das massive Staatsdefizit reduziert werden kann. Es lag im letzten Haushaltsjahr bei 700 Milliarden Dollar, rund vier Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die vorläufige Beilegung des Haushaltsstreits ließ die Börsen weltweit aufatmen, auch wenn Experten diese Entwicklung erwartet hatten. Dennoch senkte die chinesische Ratingagentur Dagong die Kreditwürdigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft von der dritthöchsten Bewertung "A" auf "A-". Als größter ausländischer Gläubiger ist China besorgt, dass die politischen Dauerquerelen in den USA eigene Forderungen bedrohen könnten.

Der Kompromiss bedeutet vor allem, dass der US-Kongress die Lösung der Grundprobleme wieder nur vertagte. Bei Themen wie Steuern, Haushaltskürzungen sowie Einsparungen in den Sozialsystemen trennen sie tiefe ideologische Gräben. Der demokratische Senats-Fraktionschef Harry Reid warnte bereits: "Wir dürfen denselben Fehler nicht noch einmal machen". Reid hatte gemeinsam mit seinem republikanischen Amtskollegen Mitch McConnell den Kompromiss ausgehandelt.

Obama setzte mit seiner Unterschrift das Gesetz in der Nacht zum Donnerstag in Kraft. Die entscheidende Hürde nahm des Papier im Abgeordnetenhaus, wo der rechte Flügel der Republikaner wochenlang jegliche Kompromissversuche blockiert hatte.

Die Konservativen legten für mehr als zwei Wochen die öffentliche Verwaltung weitgehend lahm und brachten die USA an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Dennoch scheiterte ihr Versuch, über die Finanzverhandlungen die Gesundheitsreform von Obama zu kippen oder die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung um ein Jahr zu verschieben.

Anders als im Senat haben die Republikaner im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit. 87 republikanische Abgeordnete verweigerten den Totalblockierern in ihrer Partei die Gefolgschaft und stimmten gemeinsam mit 198 Demokraten für den Kompromissvorschlag. insgesamt waren 216 Ja-Stimmen notwendig. Wenige Stunden zuvor hatte der Senat den Entwurf mit klarer Mehrheit gebilligt.

Für den eskalierten Finanzstreit haben die USA schon jetzt einen hohen Preis bezahlt. Der sogenannte Shutdown habe die Wirtschaft bereits 24 Milliarden Dollar (17,7 Milliarden Euro) gekostet, bilanzierte die Ratingagentur Standard & Poor's. Die Unsicherheit über die Finanzpolitik der USA müsse nun unbedingt verringert werden, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde laut einer Mitteilung. Der Kongress habe einen "wichtigen und notwendigen Schritt" unternommen.

Finanzminister Jacob Lew sagte, das Vertrauen in die USA bleibe durch den überparteilichen Vorstoß erhalten. "Dank der heutigen Bemühungen werden wir weiterhin all unsere Verpflichtungen erfüllen", teilte Lew nach der Abstimmung im Senat mit. "Über 224 Jahre haben wir die Kreditwürdigkeit der USA als stärkste in der Welt etabliert."

Der Mehrheitsführer der Republikaner im Abgeordnetenhaus, John Boehner, gab sich nach wochenlangem Tauziehen geschlagen: Wir haben einen guten Kampf geliefert, wir haben einfach nicht gewonnen", sagte Boehner in einem Radio-Interview. Einige Republikaner hielten auch im Nachhinein an der umstrittenen Blockadestrategie fest: "Es geht nicht immer darum zu gewinnen", sagte etwa der republikanische Abgeordnete Matt Salmon. "Manchmal geht es darum, es zu versuchen."

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