"Demokratie lebt vom Mitmachen"

Die Friedrich-Ebert-Stiftung feiert in Bonn ihr 80-jähriges Bestehen

  Rüstzeug gegen rechts:  Anke Fuchs, Vorsitzende der FES, sieht in der politischen Bildung ein wichtiges Instrument gegen Extremismus.

Rüstzeug gegen rechts: Anke Fuchs, Vorsitzende der FES, sieht in der politischen Bildung ein wichtiges Instrument gegen Extremismus.

Foto: Lannert

Bonn. Nach seiner politischen Einstellung hat ihn keiner gefragt. Klar, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) der SPD nahe steht, war Rana Islam bekannt. Doch weder für sein Studien-Stipendium noch bei seinem Engagement in der Kölner Hochschulgruppe habe das bisher eine große Rolle gespielt. Aus eigenem Interesse organisiert der BWL-Student demnächst mit anderen Stipendiaten ein Seminar über die Rolle der Europäischen Union in der Weltpolitik.

Rund 3 000 solcher Veranstaltungen mit insgesamt 150 000 Besuchern hat die Friedrich-Ebert-Stiftung laut ihrer Vorsitzenden Anke Fuchs in den 80 Jahren seit ihrer Gründung ausgerichtet. "Politische Bildung ist wichtiger denn je", sagte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am Mittwochabend bei einer Feierstunde zum Jubiläum der Stiftung.

Doch einen Grund zum Feiern, so Thierse, gebe es für die Politik eigentlich nicht. Er zitierte aus einer Umfrage, nach der nur noch vier Prozent der Bürger Vertrauen in politische Parteien haben. Mit elf Prozent stehe der Bundestag nur unwesentlich besser da. "Der Grundkonsens der Demokratie gerät ins Wanken", folgerte Thierse. Geringe Wahlbeteiligungen und Erfolge rechtsextremer Parteien wie in Sachsen und Brandenburg führte er darauf zurück.

Wie ein drohender Schatten hing der nach Ansicht der Redner wachsende Einfluss rechter Parteien über der Jubiläums-Veranstaltung, die den Titel "Politische Bildung im 21. Jahrhundert" trug. Thierse, Fuchs und die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Birgit Fischer schwelgten nur kurz in der Geschichte der Stiftung. Vor rund 400 derzeitigen und ehemaligen Stipendiaten, Politikern, Hochschullehrern und lokaler Prominenz suchten sie nach Gründen für die Abkehr einiger Deutscher von der Demokratie und nach Antworten auf diese Entwicklung.

Verfehlungen von Politikern wie unlängst in der Affäre um ungerechtfertigte Nebeneinkünfte, tiefgehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche durch die Globalisierung, aber auch eine Tendenz in den Massenmedien zur Skandalisierung der Politik nannte Thierse als Ursachen für den Vertrauensverlust in seine Zunft.

Das Bild der Bürger, was die Politik leisten kann, müsse zudem korrigiert werden. Sie orientierten sich immer noch allein an nationalstaatlichen Institutionen wie dem Bundestag und machten diese für verschlechterte Bedingungen im Land verantwortlich. Dabei verringere sich deren Handlungsmacht zunehmend. Das sei am Beispiel der Maastrichter Richtlinien für die Staatsverschuldung eines Mitgliedslandes der EU zu sehen.

"Wir brauchen Reformen unserer Vorstellungen", sagte der Bundestagspräsident. Diese seien wesentlich schwieriger als die strukturellen Reformen, die zum Beispiel durch die Hartz-Gesetzte auf den Weg gebracht seien. Hier sei es Aufgabe der politische Bildung, Werte, Orientierungen und Kompetenzen für Debatten über die Zukunft der Gesellschaft zu vermitteln.

Wie die Friedrich-Ebert-Stiftung ihren Beitrag dazu leistet, hatte Thierse gerade am Morgen in Berlin erlebt. Organisiert von der Stiftung spielten 16-jährige Jugendliche eine Versammlung der Bezirksvertretung nach. Er sei erstaunt gewesen: "Die haben sogar von Gegenfinanzierung gesprochen."

"Es ist wichtig mit der Jugend zu reden", sagte Gesundheitsministerin Fischer. Lokale politische Themen erweckten immer noch das Interesse der jungen Generation. Sie forderte, neue Formen des Engagements zu entwickeln, bei denen sich Menschen projektbezogen einbringen können.

"Demokratie lebt vom Mitmachen", betonte Anke Fuchs die Rolle von Veranstaltungen wie in Berlin für die politische Bildung. Die Stiftung wolle Bürgern sowohl einen Überblick über die Funktion politischer Institutionen geben, ihnen aber auch darüber hinaus das Rüstzeug geben, um gegen Demokratiefeindlichkeit einzutreten. Gezielt gegen rechte Parolen biete man Kurse im Argumentationstraining an. "Wir wollen den Rechtsextremen nicht unsere Demokratie überlassen", sagte Fuchs.

Mut machen, Optimismus verbreiten und einen langen Atem fordern - nicht nur in Deutschland, sondern auch bei ihrem internationalen Engagement wende die Friedrich-Ebert-Stiftung dieses Rezept an. In Afghanistan habe man die Menschen ermutigt, ihre zerstörten Städte wieder aufzubauen, sagte Fuchs. Über ein Stipendium Stiftung habe eine junge Afghanin in Deutschland Medizin studieren können. Jetzt wolle sie ihr Wissen in ihrem Land weitergeben.

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