Der Strauch, der krankes Zahnfleisch heilt

Der Hegering Siegburg/Sankt Augustin pflegt das Moor am Rothenbach und gibt dem seltenen Gagelstrauch eine Zukunft - Im Naturschutzgebiet gibt es sogar eine Einflugschneise für Libellen

Der Strauch, der krankes Zahnfleisch heilt
Foto: Markus Bauer

Siegburg. Die Arbeit ist mühselig. Einen Hektar sumpfiges Moor mit hohem widerspenstigen Pfeifengras durchstreifen die Jäger. Wachsam halten sie die Augen offen. Sie sind auf der Suche nach Baumschößlingen.

Haben sie einen gefunden, schneiden sie ihn ab. Große Flächen werden direkt mit der Motorsense bearbeitet. Die Mission der Jäger: die Rettung des Gagelstrauchs. Die wachsenden Bäume würden ihm das Licht nehmen und den Grundwasserspiegel des Moores senken. Aber der Gagelstrauch braucht viel Wasser.

Die 63 Hektar große Fläche am Rothenbach in Siegburg, auf der der geschützte Strauch wächst, ist Naturschutzgebiet. Einen Hektar davon betreut der Hegering Siegburg/Sankt Augustin. Das kleine Moor wird von den Jägern regelmäßig kontrolliert und gepflegt. Drei Mal im Jahr kommen sie mit Schneidegerät, um den Sumpf von den schnell wachsenden Baumschößlingen zu befreien. "Wenn wir das nicht machen, ist das Moor in wenigen Jahren trocken und der Gagelstrauch weg", sagte Hegeringsleiter Gerd Ullmann.

Schon die Mönche im Mittelalter wussten den Gagelstrauch zu schätzen und pflanzten ihn in der näheren Umgebung an. So ist es wohl zu erklären, dass er heute so prächtig im Forstbetrieb Aulgasse am Rothenbach gedeiht. Es handelt sich um das südlichste Vorkommen der Moorpflanze in Europa. Die Mönche nutzten die Pflanze mit dem aromatischen Duft als Hopfenersatz im Bier, würzten damit Fleisch und verwendeten sie als Heilpflanze.

Gagel heißt im Norddeutschen frei übersetzt, so viel wie: der Strauch, der gegen krankes Zahnfleisch hilft. Auch wird ihm eine berauschende Wirkung nachgesagt. Zerreibt man die kleinen rot-braunen Blüten und schnüffelt daran, ahnt man, warum die Benediktiner die Pflanze nicht missen wollten. Der kräftig würzige Duft ist ein Geruchserlebnis.

Vor 15 Jahren haben die Jäger die Arbeit am Moor aufgenommen. Indem sie die hohen Bäume gefällt und Dämme errichtet haben, konnte das Moor wiederbelebt werden. Optimale Bedingungen für den Gagelstrauch, der die nordische Eiszeit überlebt hat.

Am Samstagmorgen zogen die Jäger wieder in den Wald. Mit dabei waren auch viele freiwillige Helfer, denen Ullmann zusammen mit dem Biologen Georg Imsiecke das Moorgebiet zeigte und in die Arbeit des Hegerings einführte. Neben dem Gagelstrauch zeigte er den interessierten Bürgern auch die anderen seltenen Kostbarkeiten des Moors: die fleischfressende Pflanze Sonnentau, den Königstau, die Torflilie oder das Torfmoos. "Es ist einfach sensationell, was hier wächst", begeistert sich Ullmann an der Vielfalt des Biotops.

Besonders stolz ist der Hegering auf die Libellenschneise, die er durch die Bäume geschlagen hat: "Anfangs wurden wir belächelt. Keiner hielt das für sinnvoll. 1997 wurden wir aber dafür mit dem zweiten Platz beim Umweltpreis des Kreises ausgezeichnet". Weil die Libellen nicht so hoch fliegen können, fällten die Jäger die hinderlichen Bäume. Die Libellen haben es gedankt. Heute zählen die Jäger 13 verschiedene Arten.

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