Olympia 1972 Selhoferin war als "Mannequin" in München dabei

SELHOF · Die Selhoferin Bärbel Giershausen hat ganz besondere Erinnerungen an die Spiele 1972 in München: Kurz bevor die Spiele begannen, stand Giershausen dort als "Mannequin" im Blitzlichtgewitter. Im eleganten Komplet mit Kleid, Hut und Mantel, selbstgenäht.

 Bärbel Giershausen heute mit "Waldi", dem Olympiahund '72.

Bärbel Giershausen heute mit "Waldi", dem Olympiahund '72.

Foto: Homann

Bärbel Giershausen verbindet mit Olympia eine ganz besondere Erinnerung. Wenn die Selhoferin die Entscheidungen in London am Fernsehapparat verfolgt, muss sie an München 1972 denken. Dann holt sie Olympia-Hund Waldi aus dem Regal, den sie in München vor genau 40 Jahren als Geschenk erhielt.

Die jetzt 83-Jährige hatte damals nämlich gerade den Titel "Nadelprinzeß 1972" in Bonn errungen und wurde für die westdeutsche Region zur Europa-Ausscheidung nach München delegiert. Kurz bevor die Spiele begannen, stand Giershausen dort als "Mannequin" im Blitzlichtgewitter. Im eleganten Komplet mit Kleid, Hut und Mantel, selbstgenäht.

Um die Auszeichnung "Nadelprinzeß", die von einer Nähmaschinenfirma und einer Modezeitschrift ausgeschrieben wurde, durften nur Hobbyschneiderinnen kämpfen. Fast wäre die gebürtige Kölnerin ja Profi geworden. Aber mitten im Krieg zog die ausgebombte Familie in den Westerwald. Statt Modeschule in Düsseldorf besuchte Tochter Bärbel die Handelsschule in Neuwied, arbeitete später im Büro der August-Lepper-Transformatorenfabrik in Bad Honnef.

Aber ihr Herz gehörte dem Schneidern. Bärbel Giershausen zeichnet ihre Kreationen auf Papier und schneidet den Stoff freihändig zu. "Perfekt in Schnitt und Sitz, gekonnt im Entwurf und passend zur Trägerin", urteilten 1972 die Juroren in Bonn über das Nachmittagsensemble, das Bärbel Giershausen selbst auf dem Laufsteg präsentieren musste. Ganz ohne Model-Probelauf. "Ich hatte kein Herzklopfen." Die Zeitungen berichteten groß über die Meisterschaft in Bonn und die elegante, charmante Siegerin Bärbel Giershausen. Den Hut besitzt sie noch. Er ist aus dem gemusterten Stoff des Kleides.

Und tatsächlich: Die Selhoferin hat das Material so akkurat zusammengefügt, dass auch wirklich keine Rose aus der Reihe tanzt. "Gar nicht hausbacken", schrieb ein Journalist. Sohn Klaus hatte noch den entscheidenden Hinweis in der heimischen Schneiderstube gegeben: "Hinten ist es ein bisschen langweilig." So erhielt der Rücken noch einen raffinierten Riegel. Das war der Clou. Für ihren Sieg in Bonn bekam Bärbel Giershausen eine elektrische Nähmaschine, an der sie auch heute noch ihre komplette Garderobe herstellt. In München siegte Fernsehansagerin Ute Zingelmann im Abend-Composé "Afrikanische Sonne"

Unter dem Namen Ute Viehweg hatte sie für die Konkurrenz gemeldet. "Als sie kam, haben wir anderen gesagt, jetzt können wir einpacken", erinnert sich Giershausen an ihre 70 Mitstreiterinnen aus sieben Ländern. Eine Woche waren sie im "Bayerischen Hof". Gemeinsam besichtigten sie das Olympiastadion, besuchten Empfänge. Die sportlichen Wettkämpfe sah sich Bärbel Giershausen damals allerdings wieder am heimischen Fernsehapparat an.

Später wurde sie noch einmal "Nadelprinzeß" mit einem Trachtenensemble mit echter Hahnenfeder am Hut. In ihrer Haute-Couture-Werkstatt im eigenen Haus verarbeitet sie alles, ob Seide, Wolle oder Taft. Ihr Hochzeitskleid machte sie selbst, auch ein Abendkleid zum 50. Geburtstag mit einem gestickten Paradiesvogel aus 200 Perlen. Und: Die so professionelle Hobbyschneiderin strickte 30 Jahre lang für die Puma-Hilfe der Pfarrgemeinde Sankt Martin.

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