Interview mit Street-Art-Künstler Mark Gmehling "Teletubbies" aus der Spraydose

KÖNIGSWINTER · Wer Mark Gmehling bei der Arbeit zuschaut, der merkt: Graffiti kann jeder - Street Art hingegen ist eine Kunst. Jeder Farbklecks ist durchdacht, jeder Handgriff sitzt.

 Völlig legale Sprühkunst: Mark Gmehling gibt der Glasfassade der Bergterrassen eine ganz neue Optik.

Völlig legale Sprühkunst: Mark Gmehling gibt der Glasfassade der Bergterrassen eine ganz neue Optik.

Foto: Frank Homann

Am vergangenen Wochenende war der Straßenkünstler aus Dortmund in Königswinter zu Gast, um im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Sommer in der Stadt" einen bislang unschönen Fleck der Altstadt in einen echten Hingucker zu verwandeln: nämlich die Glasfassade der ehemaligen Bergterrassen unterhalb der Drachenfelsbahn. Mit Gmehling sprach Neal Graham.

Was entsteht da gerade für ein Kunstwerk?
Mark Gmehling: Ich nenne es "Teletubbies".

Wie kleine bunte Pummelchen sehen die Figuren aber nicht aus.
Gmehling: Das ist auch gut so (lacht). Der Titel ist eine Metapher, denn ich versuche, den Zeitgeist einzufangen: Die Figuren werden nur von ihren Handys beleuchtet. Überall fallen mir Menschen auf, die nur noch auf die Displays ihrer Mobiltelefone schauen anstatt miteinander zu reden. Das soll keine Moralpredigt sein, sondern einfach nur eine Feststellung, eine Beobachtung.

Das Bild ist überraschend plastisch. Wie schaffen Sie das?
Gmehling: Gute Frage (lacht). Ich arbeite heute nach einer Vorlage, die ich mit einem Computerprogramm für digitale Kunst erstellt habe. Dort kann ich dreidimensionale Objekte kreieren und anschließend perfekt ausleuchten. Auf den Ausdrucken ist dann viel leichter zu erkennen, welche Schattierungen diese Plastizität erzeugen, als auf einem Foto, wo das Licht vielleicht nicht ganz optimal einfällt.

Wie sind Sie überhaupt zur Street Art gekommen?
Gmehling: Das hat mit Graffiti angefangen, als ich 14 oder 15 war. Irgendwann habe ich mich dann gefragt, ob es wert ist, in dieser Szene Anerkennung zu bekommen, indem ich irgendwelche kryptischen Schriftzüge an Wände schmiere. Ich wollte ein Publikum haben, ich wollte die Leute ansprechen, aber mit diesen seltsamen Symbolen und Logos kann doch keiner etwas anfangen. Die können ja selbst die Sprüher nur zweifelsfrei lesen, wenn sie Teil der jeweiligen Gruppe sind. Daher habe ich dann vor circa 13 Jahren begonnen, Street Art zu machen - das heißt mit Darstellungen, die etwas aussagen.

Und spricht das die Leute tatsächlich mehr an?
Gmehling: Oh ja, auf jeden Fall. Ich habe ja alleine heute Morgen die Reaktionen der Passanten mitbekommen. Die Kinder fanden es alle toll, auch deren Eltern waren größtenteils interessiert. Manche Erwachsene erkennen aber auch gar nichts. Das ist halt manchmal so, ich mache ja auch nicht umsonst eine Art Popsurrealismus. Aber auf jeden Fall fanden sie es alle wesentlich ansprechender als irgendeinen unverständlichen Schriftzug, das war deutlich.

Was ist der größte Unterschied vom Sprayen zum "normalen" Malen?
Gmehling: Je größer, desto besser. Mit dem Pinsel kann ich kleinste Details und Feinheiten einzeichnen, aber jede Spraydose hat einen minimalen Sprühradius. Irgendwann geht es halt nicht mehr kleiner. Von daher liebäugele ich im Moment mit den großen Brückenpfeilern dort drüben, vielleicht kann ich die ja irgendwann mit einem Drachenfelsmotiv verzieren.

Welchen Tipp würden Sie dem Street-Art-Nachwuchs mit auf den Weg geben?
Gmehling: Übung macht den Meister. Vorlagen studieren, sich im Internet oder vor Ort Inspiration holen und an legalen Sprühwänden Erfahrung sammeln.

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