Forschungsprojekt im Kottenforst Naturwaldzellen geben Aufschluss über Veränderungen

REGION · Nicht nur im Herbst, wenn die Bäume ihr Laub fallen lassen, ist der Kottenforst als Naherholungsgebiet beliebt. Jogger, Radfahrer und Spaziergänger schätzen den Wald auch im Sommer, wenn die Schatten spendenden Bäume mit ihrem Blätterdach einen Ort abseits der drückenden Hitze bieten.

 Dieses Stück Wald im Kottenforst bei Röttgen ist seit 30 Jahren naturbelassen, Forstamtsleiter Uwe Schölmerich zeigt, wie auf einem umgestürzten Baum neues Leben in Form von Pilzkolonien wächst.

Dieses Stück Wald im Kottenforst bei Röttgen ist seit 30 Jahren naturbelassen, Forstamtsleiter Uwe Schölmerich zeigt, wie auf einem umgestürzten Baum neues Leben in Form von Pilzkolonien wächst.

Foto: Axel Vogel

Nur die Wenigsten wissen allerdings, dass der Kottenforst schon seit über 80 Jahren Teil eines generationsübergreifenden Forschungsprojekts ist - der Naturwaldzelle.

Mit 40 Quadratkilometern ist der Kottenforst einer der größten Wälder der Region und wird als Wirtschaftswald mehrheitlich für forstwirtschaftliche Zwecke genutzt. Ausgenommen von dieser Nutzung sind 3,6 Quadratkilometer auf Witterschlicker Gebiet - die Naturwaldzelle Probstforst.

Als Naturwaldzelle bezeichnen Experten ausgewiesene Teile des Waldes, in dem die Natur keinen menschlichen Eingriffen ausgesetzt ist. So werden abgestorbene Bäume - anders als in den Nutzgebieten - nicht entfernt.

Uwe Schölmerich ist als Forstamtsleiter Rhein-Sieg-Erft für die Naturwaldzelle Probstforst verantwortlich. Er schätzt die Artenvielfalt innerhalb der verwilderten Gebiete: "Die Naturwaldzellen beherbergen durch die hohen Mengen an Totholz im Vergleich zu den bewirtschafteten Wäldern unzählige Pilz-, Tier- und Käferarten", so Schölmerich. Nicht nur das: "Auch die Fledermaus schätzt das Totholz und kann sich in den Baumhöhlen einnisten."

Die Artenvielfalt innerhalb der Naturwaldzellen lässt sich in ihrem Ausmaß nicht strikt von den bewirtschafteten Waldgebieten trennen. Somit haben die Zellen nachweislichen Einfluss auf ihre Umgebung. "In den Naturwaldzellen entwickeln sich Überlebenszonen für Arten, die es ohne die Zellen nicht gäbe. Dies strahlt auf die Umgebung aus und hat den Effekt, dass der gesamte Wald eine höhere Artenvielfalt aufweist", erklärt Schölmerich die besondere Bedeutung der naturbelassenen Gebiete.

Neben dem Erhalt der Artenvielfalt spielen die Naturwaldzellen auch in der Forschung eine wichtige Rolle. Besonders im Vergleich von bewirtschaftetem Gelände zu Naturwaldzelle lassen sich Forschungserkenntnisse gewinnen, die von Schölmerich und seinem Team praktisch auf die Bewirtschaftung der Wälder angewandt werden. "Anhand der Naturwaldzelle lässt sich die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Baumarten ableiten", erklärt Schölmerich. So lasse sich erkennen, dass die Eiche - unter anderem wegen ihrer Größe - der Buche unterlegen sei. "Würden wir den Kottenforst sich selbst überlassen, hätten wir am Ende einen reinen Buchenwald. Darauf müssen wir in der Bewirtschaftung achten", erklärt Schölmerich.

"Monitoring" nennen die Experten die wissenschaftliche Auswertung der Naturwaldzellen, die etwa zehn Prozent des Kottenforsts ausmachen. Dabei kann sich die Auswertung auf ganz verschiedene Aspekte beziehen und beschränkt sich nicht auf den Baumbestand. Auch der Einfluss des Klimawandels auf den Forst lässt sich - etwa anhand der Tierbestände - erkennen.

Damit ein Wald das Prädikat "Naturwaldzelle" erhält, muss er einige Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört eine nachweisliche Naturbelassenheit, die nennenswerte Eingriffe des Menschen über Jahre hinweg ausschließt. "In früheren Zeiten beheimatete der Kottenforst zeitweise die Römer", erklärt Schölmerich und fügt hinzu: "Nennenswerten Einfluss konnten die Bewohner auf die heutigen Wälder nicht nehmen, denn die ältesten Baumexemplare sind maximal 200 Jahre alt."

Die Naturwaldzellen sollen auch in Zukunft ihren Sonderstatus behalten. Eine Ausweitung auf ganze Wälder - wie dies etwa in amerikanischen Nationalparks der Fall ist - ist für Schölmerich in Deutschland jedoch undenkbar: "In ihrem jetzigen Ausmaß erfüllen die Naturwaldzellen die ökologischen und wissenschaftlichen Zwecke zur Genüge. Eine Ausweitung der Bestände hätte auch unangenehme Folgen", erklärt er. So könne beispielsweise ein einziger Sturm einen unbewirtschafteten Wald nachhaltig beschädigen. Auch hätten Naturwaldzellen einen negativen Effekt auf die Klimabilanz der Wälder.

"Bäume speichern Kohlenstoffdioxid, das für den Klimawandel mitverantwortlich ist. Nutzholz, das etwa in Form von Tischen und Stühlen verarbeitet wird, setzt diese Gase in einem geringeren Maß frei als unverarbeitetes Holz", beschreibt Schölmerich das Problem. Anders als in Wirtschaftswäldern darf Naturwaldzellen jedoch kein Holz zur Verarbeitung entnommen werden. Und noch ein weiteres Problem würde ein gänzlich naturbelassener Kottenforst bereiten, wie Schölmerich beschreibt: "Ein Wald ohne Zugangswege - der macht auch uns Menschen wenig Spaß!"

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