Kommentar Contra Grexit: Vor Chaos bewahren

Ja, wenn das denn alles so einfach wäre: Gerne würde man nach dem ganzen Theater mit Athen sagen: Wenn ihr keine Reformen wollt, seht doch selber zu, wie ihr euren Laden finanziert.

Doch so einfach ist es leider nicht. Denn abseits aller rechtlichen Probleme eines Grexits kann man es sich politisch nicht wünschen, Athen in Sachen Hilfe die rote Karte zu zeigen. Will sich Europa an der Südostflanke ein Land leisten, das sich gar nicht mehr um die über das Mittelmeer fliehenden Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika kümmert? Es wäre mit seinen Inseln und seiner Küste für professionelle Schleuserbanden ein nahezu ideales Einfallstor nach Europa. Will man in der EU erstmals ein Land haben, das man ins soziale Elend absinken lässt? Damit würde die Union ihr zentrales Ziel, einen Kontinent in Frieden, Freiheit und Wohlstand schaffen zu wollen, verraten. Sie wäre de facto am Ende.

Will man sich in der EU mit ihrem Einstimmigkeitsprinzip mit einem chaotisierenden Staat herumschlagen, der nach einem ungewollten Grexit alle möglichen Entscheidungen allein aus Prinzip sabotieren könnte? Und will sich Europa am Südostrand an der Grenze zum instabilen Balkan, der vor 20 Jahren in einen fürchterlich Bürgerkrieg versank, und an der Grenze zum derzeit brennenden Nahen Osten ein weiteres Land leisten, das ins Chaos abdriftet? Oder - wahlweise - ein Land, das, um letzteres zu verhindern, einem wieder unberechenbaren Russland in die Arme treibt?

Wem alle diese sehr greifbaren Gefahren egal sind oder wer sie als kleineres Übel ansieht, der möge Athen fallen lassen. Doch nicht ohne Grund haben die Euro-Länder bis zur Selbstverleugnung zu Recht versucht, genau dies zu verhindern. Sie sollten es weiter tun.

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