Kommentar Höhepunkt der Peinlichkeit

Washington · Auf Unangenehmes regiert Barack Obama inzwischen sofort. War der US-Präsident im Frühsommer, als die Welt noch ungläubig über die Durchstechereien eines Edward Snowden den Kopf schüttelte, geneigt, der Aufregung mit Plattitüden ("halb so schlimm, machen doch alle") zu begegnen, so schaltet das Weiße Haus inzwischen bei jeder neuen Enthüllung über den Geheimdienst NSA in den Modus der Schadensbegrenzung.

Der Telefon-Kotau vor der Regierung in Paris über das massenhafte Ausspähen der Franzosen markiert den Flurschaden.

Obamas Eingeständnis, dass der älteste Partner Washingtons in Europa "berechtigte Fragen" hat, ist der vorläufige Höhepunkt der Peinlichkeit. Übersetzt bedeutet das: Entweder hält Obama den vom scheidenden NSA-General Keith Alexander gezüchteten Überwachungswahn für aus dem Ruder gelaufen. Oder der mächtigste Politiker der Welt weiß immer noch nicht über die Reichweite eines gigantomanischen Sicherheits-Apparates Bescheid, der sich wirksamer parlamentarischer Kontrolle längst entzogen hat. Was aus Paris durchgesickert ist, muss jede Regierung, die eng mit den USA zusammenarbeitet, alarmieren. Auch die in Berlin.

Das Versprechen Washingtons, das Prinzip "größtmögliche Sicherheit durch größtmögliche Überwachung" allein bei der Abwehr von Terrorgefahren anzuwenden, ist gebrochen worden. Wer in der Fläche Unternehmer, Top-Beamte und Politiker überwacht, hat nicht Al-Kaida im Sinn. Sondern Allmachtsphantasien. Amerika verspielt seinen letzten Rest von Reputation.

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