Bonner Wissenschaftlerin analysiert Hitler-Filme

Kann man, darf man über Adolf Hitler lachen? Wie stellt man Hitler im Film dar? Zwei Fragen, die sich jeder stellen muss, der sich Gedanken über Kinofilme wie "Der Untergang" mit Bruno Ganz als Hitler oder Dani Levys "Mein Führer" macht.

Bonner Wissenschaftlerin analysiert Hitler-Filme
Foto: dpa

Bonn. Kann man, darf man über Adolf Hitler lachen? Wie stellt man Hitler im Film dar? Zwei Fragen, die sich jeder stellen muss, der sich Gedanken über Kinofilme wie Oliver Hirschbiegels "Der Untergang" mit Bruno Ganz als Hitler (2004) oder Dani Levys "Mein Führer", den Helge Schneider 2007 spielte, macht.

Das zentrale Problem ist, dass es über den Diktator kaum wirklich authentische Dokumente und eben auch kaum Filmaufnahmen gibt, die nicht aus der Propaganda-Optik entstanden. Wie begegnet ein Regisseur diesem Dilemma?

Die Medienwissenschaftlerin Alexandra Hissen, seit dem vergangenen Jahr Volontärin im Bonner Haus der Geschichte, findet in ihrer Dissertation "Hitler im deutschsprachigen Spielfilm seit 1945" (Wissenschaftlicher Verlag Trier, 28,50 Euro) viele Antworten auf diese Frage. Die 32-Jährige hat anhand von Filmen von Pabst und Maetzig (1955) bis zu den neuesten Kinofilmen "Der Untergang", "Speer und Er" (2005), "Der Wixxer" (2004), "Neues vom Wixxer" (2007) und "Mein Führer" das Thema untersucht.

Die Palette der Diktatoren-Darsteller ist so bizarr wie die Ansätze der Regisseure unterschiedlich sind. Tobias Moretti war einer der facettenreichsten Hitler-Schauspieler, Bruno Ganz der "menschlichste", Christoph Maria Herbst brillierte als Alfons Hatler. Auch Albin Skoda, Heinz Schubert, Udo Kier, Armin Mueller-Stahl und Helge Schneider haben sich fürs Kino das Hitlerbärtchen angeklebt.

Alexandra Hissen analysiert die Filme aus 50 Jahren ausführlich, arbeitet akribisch die Unterschiede zwischen den neuesten Beiträgen heraus. "Die Geschichte lässt sich nicht eins zu eins abbilden", sagt sie, das Dilemma sei besonders gut von Breloers "Speer und Er" thematisiert worden: "Das Ergebnis war kein 'authentischer', sondern ein 'möglicher' Mensch Hitler, der gerade darum glaubwürdig wird", schreibt die Autorin, "Moretti liefert das Porträt einer mit manipulativen Fähigkeiten ausgestatteten Person, bei der auch in ihren größenwahnsinnigen Anwandlungen stets der verklemmte Kleinbürger durchscheint und die daher keinerlei mythologische Größe im Positiven wie im Negativen aufweist."

Ganz anders tritt das Duo Hirschbiegel/Ganz in "Der Untergang" auf: "Hier wird der Anspruch erhoben: So war's!", sagt Hissen. Es gab Jubelarien von Frank Schirrmacher in der FAZ, der meinte, die "zweite Erfindung Hitlers" durch Bernd Eichingers (Produzent von "Der Untergang") "Meisterwerk" ermögliche erstmals eine Emanzipation der Deutschen von ihrer historischen Nemesis.

Andere Stimmen befanden den Film als "pervers" (Claude Lanzmann) oder als "unglaubliche Verharmlosung dieser historischen Figur Hitler" (Wim Wenders). "Vor den 90er Jahren waren Hitler-Filme im Kino wahres Kassengift", sagt Hissen. 2004 erreichte "Der Untergang", der nach "Das Boot" teuerste deutsche Film (13,5 Millionen Euro), dann über 4,5 Millionen Besucher. Wie lässt sich das erklären?

Alexandra Hissen zählt in ihrer lesenswerten Untersuchung mehrere Faktoren auf: den "Wechsel der Erinnerungsmodi" durch die aussterbende Kriegsgeneration, eine generelle Enttabuisierung sowie ein in den Jahren nach der Wiedervereinigung wachsendes Interesse an der deutschen Geschichte und die Flut von Dokumentationen. Für Alexandra Hissen ist der beste Hitler-Film Schlingensiefs "100 Jahre Adolf Hitler - Die letzte Stunde im Führerbunker" (1989). Diesem Votum kann nur beigepflichtet werden: Der ganze Wahnwitz des "Dritten Reichs" wird in den engen, schattigen Bunker-Gängen spürbar.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort