Besuch im Stadtmuseum Bonn Kleines Budget, großer Einsatz

Bonn · Im Stadtmuseum erwachen 2000 Jahre Bonner Geschichte zu neuem Leben. Neuerdings brüllen hier auch die Schmucklöwen von derAlten Rheinbrücke.

 Museumspädagoge Kai-Ingo Weule mit junger Besucherin

Museumspädagoge Kai-Ingo Weule mit junger Besucherin

Foto: Martin Wein

Foto-Shooting wie um 1900: Mads, Kitana und Tizian haben sich schmuckvolle Hüte auf den Kopf gesetzt. Nur den einst so populären Matrosenkragen möchte niemand anlegen. Mucksmäuschenstill stehen die Kinder vor einer gemalten Landschaftstapete im Salon eines der damals 27 Bonner Fotografen und dürfen eigentlich nicht lachen.

„Für die Belichtung muss man mehrere Minuten lang still stehen, das hält man lachend nicht durch“, sagt Kai-Ingo Weule und erklärt damit, warum Leute auf alten Fotos immer so grimmig aus der Wäsche blicken. Was Mads, Kitana und Tizian aber aus der Fassung bringt, sind wenig später die Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Bis weit ins 20. Jahrhundert mussten Fotos mühsam von Hand koloriert werden, wenn man sie in Farbe haben wollte. Tizian findet das „krass“.

Der Kaiser kam nur, wenn die Sonne schien

Familientag im Stadtmuseum: Einige Eltern samt Nachwuchs sind ins ehemalige Viktoriabad in der Franziskanerstraße gekommen, um mehr über das Leben in Bonn um 1900 zu erfahren. Museumspädagoge Kai-Ingo Weule hat sich mit gestreiftem Frack und Binder in Schale geworfen.

Er erzählt, wie Kaiser Wilhelm II. seine Schwester Viktoria in Bonn besuchte und den Bonner Pänz damit schulfrei bescherte. „Aber nur, wenn die Sonne schien. Sonst kam der Kaiser nicht, weil seine vielen Orden dann nicht richtig glänzten.“ Vor dem Kolonialwarenladen lässt Weule die Kinder mit der Handwaage ein paar Erbsen abwiegen und erklärt, wie viel Zeit das kostete. „Und Kopfrechnen musste man auch können“, ruft eine Mutter dazwischen.

Die Fotografie von damals - explosiv

Im Foto-Atelier erklärt Weule, warum der Besuch beim Fotografen damals ziemlich gefährlich war. Immer wieder fing die von Hand angerührte Mischung fürs Blitzlicht aus einem brennbaren Leichtmetall wie Magnesium und dem Oxidationsmittel Kaliumpermanganat vorzeitig Feuer und sorgte tags drauf für Schlagzeilen im General-Anzeiger.

Es sind Angebote wie diese, die das Stadtmuseum immer wieder mit Leben füllen. Weule und seine Kollegin Pia Weimert organisieren seit Jahren mit kleinem Budget und großem Einsatz Familientage, Programme für Grundschulen, Führungen für Besuchergruppen – auch für Sehbehinderte – und Vorträge für Senioren.

Sogar den Kindergeburtstag kann man mit kleiner Führung, Spielen und Basteln mal ganz anders im Museum verbringen. Trotzdem grenzt es fast an ein Wunder, dass jedes Jahr rund 10.000 Besucher den Weg in die Schauräume finden.

Rund 10.000 Exponate

Doch auch an normalen Besuchstagen vermittelt das Museum mit seinen rund 10.000 Einzelstücken einen bunten Überblick über die Stadtgeschichte. Man muss es allerdings erst mal finden. Auch 18 Jahre nach der Eröffnung in der Franziskanerstraße 9 kennen selbst viele Bonner den Museumsstandort nicht. Und wenn sie dann neben dem Café Blau im alten Foyer des Sauna-Bereichs für das längst geschlossene Viktoria-Bad stehen, regt sich mancher Zweifel.

Hier soll ein Museum sein? „Sieht eher aus wie eine Shisha-Bar“, sagt ein Vater, der mit seinem Sohn zum Museumsbesuch gekommen ist, „das ganze Foyer ist wirklich eine Schande.“

Museumsräume sind ein Provisorium

Besuch im Stadtmuseum Bonn
6 Bilder

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Auch die Museumsräume selbst, die seinerzeit als Provisorium nur notdürftig musealen Bedürfnissen angepasst wurden, haben eher den Charme der 1950er-Jahre. Eine durchgehende Erzählung, wie sie Bonn mit seinen fast 2000 Jahren bewegter Geschichte eigentlich verdient hätte, ist nicht möglich. „Man hat uns da immer wieder hingehalten“, sagt Direktorin Ingrid Bodsch, die das Haus mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter leitet.

Nachdem der Umzug zusammen mit dem Stadtarchiv in die Pestalozzi-Schule auch infolge der Flüchtlingskrise zunächst scheiterte, spricht alles dafür, dass das Haus auch sein 20-jähriges Bestehen noch immer in den alten Sauna-Räumen wird feiern müssen.

Von einem Besuch sollte man sich aber trotzdem nicht abhalten lassen. Neben den großen Hinguckern wie den Prunkstücken des kurfürstlichen Silbers von Andreas Emmel von 1792, dem Stadtmodell Bonns in der Zeit um 1800, dem Kolonialwarenladen von 1883 oder dem Friseurladen und bürgerlichen Salons aus der Blütezeit um 1900 gibt es schließlich immer wieder Kleinigkeiten zu entdecken.

Eine Hetzpeitsche für Hunde - sowas ist selten geworden

In einem der Salon-Ensembles zeigt Bodsch etwa einen auf den ersten Blick seltsam Gegenstand auf dem Fußboden. „Das ist eine Hetzpeitsche, mit der Clemens-Augusts Jäger ihre Hunde antrieben“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin. Nur wenige Exemplare dieses Gebrauchsgegenstands haben sich erhalten, weshalb Spezialmuseen ihn immer wieder für Ausstellungen leihen.

Auch an zahlreichen Kleidungsstücken lässt sich die Geschichte Bonns und der Bonner anschaulich nachvollziehen. In einer Vitrine hängt beispielsweise ein fein gestricktes Leinenmützchen, das einst den Beethoven-Freund und späteren Musik-Verleger Nikolaus Simrock vor der Kopfgrippe schützte. „Die Zentralheizung war damals schließlich noch nicht erfunden“, so Bodsch.

Bis zum 19. Februar sind die Brückenlöwen ausgestellt

Neuerdings brüllen im Stadtmuseum sogar wieder die Schmucklöwen von der Alten Rheinbrücke. Ab 1898 hatten sie die damals größte Bogenbrücke der Welt bewacht. Nach deren Sprengung durch die Wehrmacht am 8. März 1945 waren die geborgenen Skulpturen in den Besitz verschiedener Privatleute gelangt. Bis zum 19. Februar sind die Brückenlöwen ausgestellt – auch für Mads, Kitara und Tizian vielleicht ein guter Anlass für einen weiteren Besuch und ein Erinnerungsbild mit Löwen.

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