Prinzessinnen im neuen Licht

Stilles Vertrautes: Heiner Meyers Antikenrezeption im Bonner Akademischen Kunstmuseum

Bonn. Zwar stammt diese seltsame Gruppe einer großen stehenden Frau und eines zierlichen Jünglings, deren Blicke sich inniglich treffen, aus dem ersten Jahrhundert n. Chr.; ihre Charakterisierung als "Stille Vertraute" hat ihnen dann Herder im 18. Jahrhundert aus dem Geist der Empfindsamkeit gegeben.

Zu dieser Zeit waren vergleichbare Gruppen zweier einander zugetaner Figuren wie das Jünglingspaar der "Ildefonso-Gruppe" oder die "Orest-Elektra-Gruppe", die in römischer Zeit klassisch griechische Stilelemente zu imitieren versuchten, sehr beliebt.

Goethe etwa besaß einen Abguss jener eklektischen Jünglinge; und der Bildhauer Johann Gottfried Schadow wird 1885/86 solche Figurengruppen in Rom gesehen und bewundert haben. Immerhin hat er zehn Jahre später in Berlin seinem berühmten Doppelporträt der Kronprinzessin Luise von Preußen und ihrer Schwester Friedrike eine vergleichbar verbindende, ja anschmiegsame Haltung gegeben.

Sie wiederum hat Heiner Meyer, den Künstler unserer Tage, zu einer bildlichen Auseinandersetzung angeregt, die jetzt unter dem Titel "Stilles Vertrautes" im Akademischen Kunstmuseum zu sehen ist. Gewiss sind "Die preußischen Prinzessinnen" keine Antiken, aber sie tragen in der Dialektik zwischen ihren Gewändern und den durchscheinenden Körpern klassische oder klassizistische Merkmale vor.

Heiner Meyer hat die weiße Marmorgruppe in die zweidimensionale Kunstform der großformatigen fragmentierten Fotografie übertragen und sie mit einem verfremdenden Kolorit überzogen.

Ähnlich, doch ohne die Bilder zerlegenden Elemente, leider im etwas zu bescheidenen "Buchformat", ist der Künstler mit "echten" Antiken umgegangen und damit dem Schauplatz seiner Präsentation tatsächlich gerecht worden.

Heiner Meyer hat "Ikonen" der griechischen Kunst wie die Aphrodite von Melos, eine Kore des Erechtheions oder die Eirene mit dem Plutosknaben - sie sind "leibhaftig" in Gips präsent -, aber auch die römische Orest-Elektra-Gruppe fotografiert. Er hat sie dann durch gestischen Farbauftrag in eine neue malerische Räumlichkeit versetzt, dabei mehrfach - wie auch bei den Prinzessinnen - Front- und Rückenansicht bedacht.

Die "Ildefonso-Gruppe" steht neben einer in lyrischen Farben angedeuteten Architektur, Orest und Elektra changieren zwischen Ocker und Lila. Der Künstler schöpft aus dem Repertoire der Antike, um, wie er sagt, mit dem "Christo-Prinzip", also mit dem Mittel der Verfremdung, die Aufmerksamkeit des Betrachters zu verschärfen.

Ob die Besucher des Akademischen Kunstmuseums auf diesen Kunstgriff angewiesen sind, ist gewiss fraglich; in jedem Falle ist Heiner Meyer im Umgang mit den sonst doch auch stillen, vertrauten Gipsabgüssen eine ästhetisch ansprechende Antikenrezeption gelungen.

Akademisches Kunstmuseum; bis 18. Mai. So-Fr 10-13, Do 16-18 Uhr; Begleitheft 5 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Der Schotte Miko Berry gewann den
Poeten-Showdown in Beuel
„Raus mit der Sprache“ im PantheonPoeten-Showdown in Beuel
Aus dem Ressort