Sonnenfinsternis auf dem Berg

György Konrád stellt im Bonner Arithmeum seinen neuen Roman vor

  György Konrád  im Arithmeum.

György Konrád im Arithmeum.

Foto: Fischer

Bonn. Wer auf einem Berg steht, kann erwiesenermaßen eine Menge überblicken. Doch es wirkt fast paradox, wenn man im Dunklen von dort oben aus etwas sehen möchte. So wie der ungarisch-jüdische Schriftsteller György Konrád, der am Anfang seines autobiografischen Romans "Sonnenfinsternis auf dem Berg" schildert, wie er 1999 auf einem Gipfel diesem seltenen Naturereignis beiwohnt.

Trotz aller Finsternis beschreibt Konrád eine ganze Vielfalt an Eindrücken und Erinnerungen, die er während der letzten sechzig Jahre gesammelt hat und nun im Rahmen der Lesereihe "Literatur.Europa" im Bonner Arithmeum vorstellt.

Doch auch hier gibt es ein Paradox: In den von György Konrád und Karin Hempel-Soos, Leiterin des Hauses der Sprache und Literatur, vorgetragenen Passagen vermischen sich ernste und traurige Ereignisse mit beinahe heiteren Anekdoten.

Konrád erzählt, wie seine Eltern 1944 deportiert und ein Jahr danach gerettet wurden, welche Gefühle er hatte, als 1949 nicht nur seine Lieblingsbibliothek, sondern auch das benachbarte Bordell der kommunistischen Verstaatlichung zum Opfer fielen, wie er sich 1956 als Student am Volksaufstand beteiligte, wie er seine erste Frau kennen lernte.

Nachdem er in seinem Heimatland immer wieder Repressalien erfuhr - Berufsverbot, Publikationsverbot und 1974 sogar Verhaftung - fragt sich Konrád am Ende des Romans am Grab seiner Großeltern nachdenklich, wo Heimat ist. Stipendien und Reisen hatten ihn zuvor, als er nach internationalem Protest aus der Haft entlassen worden war, nach Westeuropa und in die USA geführt, er wurde Präsident des internationalen PEN-Clubs, erster ausländischer Präsident der Akademie der Künste in Berlin und erhielt für seinen Mut zur politischen Stellungnahme sowohl den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels als auch den Karlspreis.

Ähnliche Ambivalenzen wie der Roman vereint auch das Streichtrio des tschechischen Juden Gideon Klein, welches das Bonner Goldberg-Trio als Einstimmung auf die Lesung spielte. Auch in dem Trio, das der Komponist 1944 im Ghetto Theresienstadt nur neun Tage vor seiner Deportation nach Auschwitz fertig stellte, vermischen sich die dunklen mit den heiteren Tönen.

Und das Werk zeugt von der Kraft, die Gideon Klein wohl ähnlich wie Konr d aufbringen konnte, um auch unter Repressalien noch kreativ zu bleiben. Doch hatte Gideon Klein, um es mit dem Titel von Konráds erstem autobiografischem Roman von 2003 zu sagen, weniger "Glück" als Konr d und seine Familie: Er starb am 27. Januar 1945, kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers.

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