Mythen aus der Küche Wie ein italienischer Historiker zum kulinarischen Nestbeschmutzer wurde

Bonn · Der italienische Historiker Alberto Grandi hat es sich mit einigen seiner Landsleute verscherzt. Der Grund: Er zweifelt die Herkunft einiger Klassiker der Heimatküche an und würdigt sie in Bedeutung und Geschmack herab.

Klassiker der italienischen Küche: die Pizza.

Klassiker der italienischen Küche: die Pizza.

Foto: dpa/Benno Schwinghammer

Einfach mal die Ikonen der Landesküche vom Sockel stoßen – es geht kaum leichter, es sich mit ganz Italien zu verscherzen. Wie der Historiker Alberto Grandi, der mit dem Titel seines Podcasts zur Cucina Italiana keinen Zweifel daran lässt, ein kulinarischer Nestbeschmutzer zu sein und sich in der "Süddeutschen Zeitung" dazu äußert. „Erfundene Herkunftsbezeichnungen” räumt aus Sicht des Autors mit Mythen auf, aus Sicht der empörten Italiener mit Vize-Regierungschef Matteo Salvini an der Spitze begeht Grandi ein Sakrileg.

Spaghetti Bolognese? Ein falsch zusammengesetztes Fake aus populärer Pastaform und authentischer Sauce, das zu Unrecht Weltruhm als Traditionsgericht erlangte. Carbonara? Eine Erfindung in Speck und Eier vernarrter GIs im Auslandseinsatz Ende des Zweiten Weltkrieges. Und zwar unabhängig von der Glaubensfrage, ob Sahne hinein gehört oder nicht. Panettone? Ein Industrieprodukt aus dem Hause Motta. Und selbst die Pizza? Nichts besonderes, sondern nur eine von zahllosen Teigtaschen aus dem Mittelmeerraum. Die italienische Küche keine über Generationen bewahrte Sammlung uralter Traditionsrezepte, sondern einfach nur brillantes Marketing, das mehr in Amerika als in Italien entstanden sei. Porca miseria!

Und nicht nur kulinarisch scheint Bella Italia dem Untergang nahe. Elon Musk twitterte unlängst: „Italien verschwindet.“ Anders als sonst enthält dieser Tweet sogar ein Körnchen Wahrheit. Da, wo la Mamma vergöttert wird, rutscht die Geburtenrate auf einen historischen Tiefststand. Weniger als 400.000 Bambini erblicken pro Jahr das Licht der Welt, das Volk zählt weniger als 59 Millionen Menschen, bis 2060 könnten es nur noch 36,9 Millionen sein. Sollten die Italiener wirklich aussterben,gehört die italienische Küche endgültig allen. Wie eigentlich schon längst.

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